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Braucht man Twitter und Facebook?

Erstellt: 12.06.2011 Lesedauer 4 - 5 Min.

Regelmäßig taucht die Frage auf, ob „man“ bei Twitter bzw. Facebook „was machen“ sollte. Die Form der Frage liefert im Grunde schon die Antwort.

Ich kann sehr wohl erkennen, welchen sozialen und organisatorischen Wert z.B. Twitter augenblicklich im Nahen Osten spielt. Allerdings suche ich für mich noch nach dem Nutzen bzw. Zweck von Twitter oder (mit noch mehr Fragezeichen) Facebook. Solang mir der noch unklar ist, bleibe ich „draußen“. Womöglich ist es eine seltene Form von Betriebsblindheit. Mein aktionsorientierter Fragenkatalog, den ich meinen Aktivitäten gern voranstelle, hat — zumindest bisher — diese Entscheidung getragen. Fragen zum Thema Datenschutz und Privatsphäre lasse ich hier außen vor. Das sind objektive und langweilige Gründe. Statt dessen ein paar banale Fragen, ohne wertende Reihenfolge:

  • Was kann ich anders, leichter, besser, schneller, einfacher, …, bei Facebook/Twitter mitteilen als z.B. hier auf der Webseite oder definierten Ansprechpartnern per Mail/SMS/Anruf?
  • Welchen Informationsgehalt hat «gefällt mir»?
  • Weshalb sollte ich öffentlich und praktisch unumkehrbar über Dinge sprechen, die ich selbst nach drei Bier bei meinen Nachbarn verschweigen würde?
  • Warum sollte ich mir unbekannte Leute zu irgendetwas einladen?
  • Warum sollte ich einem Unternehmen erlauben, meine Daten an beliebige Dritte für Werbezwecke weiterzugeben?
  • Welchen Teil meines Lebens wird bereichert, wenn ich [x] „Follower“ habe?
  • Muss man wirklich alle Belanglosigkeiten seines Lebens kommunizieren?

Natürlich weiß ich, dass das Betreiben einer eigenen Webseite in anderen Ländern erheblich schwieriger und kostspieliger ist bzw. sein kann, als hier in Deutschland. Dass jeder unabhängig von seinen finanziellen Möglichkeiten eine Stimme haben kann, ist eine der fantastischsten Eigenschaften des Internets. Wenn ich mir allerdings die nebenstehend zitierten (echten!) Twitter-Meldungen durchlese, drängt sich mir die Frage auf, ob das wirklich unter allen Umständen gut ist.

Echte aktuelle Meldungen bei „twitter-Trends.de“:

»Muss jetzt los auf Arbeit - genau wie morgen...«

»ich gehe mal chillen und dann kommt T.«

»Ich mache mir jetzt eine Tasse Tee«

»Oh, wow. Als ich #twoff ging, nur 43 Follower, jetzt 53. Danke«


Gefälscht aber vorstellbar:

»Hab gerade tierische Blähungen.«

»Denk einfach an Bowie und „When the wind blows“«

»Cool, hilft, haben sich gerade lautstark verabschiedet.«


Was könnte dann »gefällt mir« bedeuten?

  • Ich steh auf Bowie?
  • Den Musiktitel find ich gut?
  • Den Film?
  • Jawoll! Leide, du Sau?
  • Cool, der Typ kann machen, dass es nach Bauernhof riecht?

Was Prosa jenseits der 140-Zeichen-Grenze von Twitter betrifft, ist Facebook augenblicklich immer häufiger die erste Idee. Man kann sich in dem schönen Gefühl wiegen, man hätte sich Freunden in einer Welt von Freunden mitgeteilt. Ob die das wirklich interessiert, bekomme man jedoch (zum Glück?) nicht in realitätsnaher Härte mit. Das Netz wehrt sich nicht mit sinnsuchenden Gegenfragen, wie z.B. ein „echter“ Zuhörer bei der Telefonseelsorge.

„Gefällt mir“-Klicks suggerieren das Gefühl von Relevanz. Wobei völlig offen ist, was da eigentlich gefällt (s. rechts). „Follower“ suggerieren das Gefühl von Gemeinschaft. Die ist jedoch trügerisch: Unter meinem Fenster standen kürzlich ca. 30 Leute beieinander, die eine Party im Nachbarhaus besuchten und nicht mehr in das Treppenhaus bzw. die Wohnung des Veranstalters hinein passten. Davon abgesehen, dass die Geräuschkulisse für drei Uhr morgens unpassend war, wurde mir der Problemauslöser der Veranstaltung — zu viele Menschen, zu wenig Bier, ungünstiger Geschlechter-Proporz — nach diesem kurzen Wortwechsel klar:

«Von wem hast du die Einladung?» «Paul bei Facebook.» «Wer ist Paul?» «Keine Ahnung.»

Früher hieß so was «Fisch-sucht-Fahrrad-Party». Man pappte ein Plakat an den Mensa-Eingang der Uni und ließ sich überraschen. Aber da brachten die Leute wenigstens noch Bier oder einen Salat mit. Wenn´s gut läuft, schmeißen Facebook-Überraschungsgäste nur Kippen aus dem Fenster, wenn´s nicht so gut läuft, darf der Veranstalter am Ende den Polizei-Einsatz zahlen und hat hoffentlich eine kulante Haftpflicht-Versicherung mit unbegrenzter Deckung. Das sind „besondere Freunde“, die fraglos das Leben um neue Facetten „bereichern“. Aber muss man wirklich alles haben?

Was spricht eigentlich gegen eine Mailingliste oder ein Telefonanruf an Leute, die man „so richtig“ kennt? Wenn einem das zu langweilig ist, lässt sich das mit „bring jemand mit“ erweitern. Oder man lässt als eingeladener Gast Knigge-Kenntnisse aufblitzen, indem man anfragt, ob man jemanden mitbringen darf. In jedem Fall ist die Veranstaltung damit planbar. Bei Hardcore-Veranstaltungen kennt man dann auch gleich ein paar Leute, die man zum Aufräumen rekrutieren kann. Wobei es bei solchen Veranstaltungen selten echte Ausfälle gibt. Man will ja wieder eingeladen werden. Party-Crasher blieben so automatisch außen vor.

Was mich betrifft, gibt es für das Kundtun von Meinung genug Blog-Seiten-Anbieter oder die eigene Webseite. Wer Meinungen anderer einsammeln will, kann eine Kommentarfunktion einfügen. Wobei die dann sehr entlarvend sein kann, was die „Follower“ und „Gefällt-mir-Klicker“ betrifft. Denn alles was über ein Klicken hinaus geht, stellt eine konkrete Äußerung oder ein Bekenntnis dar. So verbindlich will man dann doch nicht sein. Zumindest ist das meine Erfahrung auf einigen Seiten, wo erst lautstark nach Kommunikationsmöglicheiten gerufen wurde, die jetzt zwar verfügbar, aber nur sehr spärlich genutzt sind.

Wer keine Verwendung für die Daten seiner Besucher hat, oder einfach nur deren Privatsphäre respektiert und „echtes Feedback“ bekommen will, fährt damit — bei vergleichbarem Aufwand — aus meiner Sicht besser. Zumindest sehe ich das im Augenblick so. Wenn ich ehrlich bin, rechne ich auch nicht damit, dass sich das in absehbarer Zeit signifikant ändert. Anderen Meinungen verschließe ich mich nicht — ich antworte garantiert persönlich!

Update [15.06.2011]: Ich weiß zwar immer noch nicht, wofür ich es brauche, aber ich zwitscher jetzt mal versuchsweise. Vielleicht ist ja „das Machen“ der sinngebende Aspekt.