UmzugAlleRückschau KW 5

gedanken

Eine Minute

Erstellt: 03.02.2014 Lesedauer 2 - 3 Min.

Zeit ist relativ. Das sagte schon Einstein. Täglich erleben wir, dass er recht hat. Für mich beginnt das heute morgen mit dem Bus, der mich zum Hauptbahnhof bringen soll. Der Fahrplan sagt, er fährt an meiner Station um 5:28 Uhr. Ist jetzt der Augenblick gemeint, wenn die 27 auf die 28 springt, oder irgendwann zwischen 27 und 29 oder wenn die 28 auf die 29 springt? Für den Reisenden ist das essentiell wichtig. Denn faktisch bedeutet der Unterschied eine Minute und die entscheidet dann, wie der Rest des Tages verläuft.

Mein Bus fuhr von 27 auf 28. Also am Anfang der Minute. Im Grunde war mir das egal, denn diesen Bus hatte ich gewählt, damit ich dann noch mindestens zwei Ausweichoptionen — zumindest dem Fahrplan nach — gehabt hätte. So erreiche ich sehr wahrscheinlich meine Zugverbindung um 6:08 Uhr. Denn die Züge fahren morgens meist verlässlich pünktlich, wenn auch eher am Ende der Minute. Die Busse in Braunschweig fahren. Irgendwie regelmäßig, ob und wie das mit dem aushängenden Fahrplan zusammenhängt, kann ich noch nicht abschließend beantworten. Bis zu einem gewissen Grad gibt es eine Übereinstimmung, sich darauf verlassen, bedeutet jedoch — zumindest ist das meine Erlebniswelt — verlassen sein. Da mich mein Pünktlichkeitsvertrauen in die Braunschweiger Verkehrsbetriebe schon zweimal den Zug verpassen lies, ist der Vorlauf eine Maßnahme der Einsicht.

Heute war der Bus pünktlich. Der Zug sogar überpünktlich, er kam rund 15 Minuten vor der Zeit. Das wurde damit ausgeglichen, dass er rund 25 Minuten nach der Zeit losfuhr. Mit der ungezählt wiederholten Ansage, dass die nächste Station Helmstedt nicht angefahren wird, weil es eine Streckensperrung gäbe und deshalb eine Umleitung gefahren werden müsse. In diesem Augenblick wird klar, dass locker eine halbe Stunde länger schlafen drin gewesen wäre. Der spätere Zug wird jedoch wahrscheinlich ebenfalls entsprechend später fahren, die Umleitung unseres Zugs wird Auswirkung auf andere Züge haben, es gibt einen für mich als partiell Betroffenen nur marginal sichtbaren Domino-Effekt. Mir reicht schon, dass damit der geplante Anschlusszug — soweit dieser planmäßig fährt, bzw. fahren kann — unerreichbar wird. Damit wird aus der Minute von oben eine Stunde Verspätung. Mindestens.

Ist einerseits ärgerlich, denn der Termin um 10 Uhr ist damit perdú. Da ich das jedoch eingeplant hatte — ich bin ja lernfähig, was Bahnreisen betrifft — sind alle davon Betroffenen vorgewarnt. Wie sehr sich mein veränderter Tagesablauf auf deren Tagesverlauf auswirkt, kann ich aktuell noch nicht abschätzen, denn meiner liegt für noch wenigstens drei Stunden in der Hand der Deutschen Bahn. Deshalb wäre eine Prognose Wahrsagerei.

Andererseits wird es mir eventuell einen längeren Aufenthalt in Leipzigs Hauptbahnhof bescheren, denn der nächste Zug, der mich zum Ziel bringen soll, fährt die oben bereits erwähnte Stunde später. Jedenfalls nach Plan. Das würde der Verzögerung zumindest einen kleinen Nutzen abringen, denn dann wäre Zeit für einen Einkauf in einer dortigen Bäckerei, die eine Leipziger Spezialität vorhält (Lärchen, Lerchen, Schreibweise ist gerade unklar). Das lässt sich zwar kaum als angemessene Entschädigung für die Verspätung bezeichnen, ein wenig Balsam ist es schon.

Gerade knackt wieder der Lautsprecher. Der nächste reguläre Halt ist zwar der vorgesehene Bahnhof Magdeburg, die Ankunftszeit hat aber nicht mehr annähernd etwas mit dem Fahrplan zu tun. Eine Internet-Verbindung nach draußen lässt sich gerade mit dem Mobiltelefon nicht herstellen, was wahrscheinlich gut ist, denn sonst würden mir womöglich die Halsadern derart anschwellen, dass es hässlich aussieht. Der für die Verbindung eingerichtete Verspätungsalarm hat sich in meine Richtung durchgekämpft und teilt mir mit, dass ich wahrscheinlich einen Anschluss der geplanten Route nicht erreichen werde. Diese Erkenntnis hatte ich bereits unabhängig und alleine, ganz ohne technische Hilfsmittel.

Draußen weicht die undurchdringliche Dunkelheit einem dicken Nebel, der kaum weniger erkennen lässt und vorzüglich zu meinem Tagesverlauf passt. Der liegt ebenfalls im Nebel. Wen interessiert da schon eine Minute.