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Reflexe

Erstellt: 02.04.2015 Lesedauer 3 - 4 Min.

„Die Bundesregierung prüft...“. So fangen Meldungen in den Nachrichten an, mit denen hastiges Reagieren auf Ereignisse angekündigt wird. Gerade plätschert der Spruch mal wieder aus dem Radio.

So werde jetzt geprüft, ob die Verriegelung der Türen in Flugzeugen wieder abgeschafft werden könne. Außerdem, ob bei Flügen die Passkontrolle wieder eingeführt werden muss, weil man nach dem Absturz gar nicht prüfen konnte, ob Gefährder im Flugzeug saßen.

Das reiht sich nahtlos in die Diskussion ein, ob die ärztliche Schweigepflicht aufgehoben werden müsse. Bei all diesen Überlegungen stelle ich mir zuvorderst die Frage: Wo fängt es an, wo hört es auf?

Denn natürlich ist ein Flugkapitän Herr über das Leben vieler. Das gilt aber ebenso für einen Zugführer. Oder den Kapitän eines Ausflugdampfers. Oder einen Busfahrer. Oder den Lenker eines Gefahrentransportes. Den Fahrer eines Panzers. Den Wartungsmann für den Aufzug. Die Klofrau.

Alles eine Frage, wie weit ich mich mit meiner Paranoia aus dem Fenster lehnen will. Denn die Klofrau kann nicht so spektakulär töten. Aber wie Ebola zeigt, um so verheerender. Wo sind Menschen verletztlicher als mit runter gelassener Hose auf der Keramik? Wobei das Hocken in die Büsche keine Alternative ist. Da hat der Jäger nämlich die Tollwut-Füchse angesiedelt.

Wenn dann noch die verriegelte Tür doch nicht so ganz verriegelt ist, ist sie überflüssig wie ein Kropf. Spätestens, seit jetzt öffentlich ist, dass es einen Code zum öffnen gibt und einen Schalter, mit dem dieser Code übersteuert — aber eben auch freigegeben werden kann, ist sie kein Schutz mehr.

Welcher Flugkapitän lässt den Schalter umgelegt und landet die Maschine seelenruhig auf dem nächsten Flugplatz, während vor der Tür so lange vorzugsweise Kinder erdrosselt werden, bis er die Tür aufmacht?

Gegen kranke Hirne helfen keine Türen. Egal ob sie da sind oder nicht. Ebensowenig hilft eine Passkontrolle. Gefährder sind erst einmal nichts anderes als Menschen, von denen andere Menschen annehmen, dass die eventuell Schlechtes gegen andere Menschen im Schilde führen.

Drängt sich die Frage auf, warum die Polizei untätig bleibt, bzw. aus juristischer Sicht bleiben muss, wenn jemand auf die Wache kommt und von einer Gefährdung spricht. Dürfen zukünftig Gefährder nicht mehr fliegen? Was ist mit Auto fahren? Oder Panzer? Oder Klos putzen?

Wer überwacht die Überwacher und Festleger der Gefährder? Die können immerhin unser gesamtes Staatswesen zum Erliegen bringen, wenn sie die Latte für Gefahrenpotenzial nur tief genug legen.

Da wird aus einem im Bus entfleuchten Flatus ratz fatz ein gescheiterter Giftgas-Anschlag. Denn es bedarf regelmäßiger Beweise für die Wirksamkeit der Einschränkungen unseres täglichen Lebens. Da hat der mit der Macht über die Daten alle Möglichkeiten. Jedenfalls wenn es darum geht, am Ende gut auszusehen.

Außerdem bleiben zentrale Fragen:

Natürlich könnte man auch anders herum fragen:

Statt übereilter Reflexe halte ich Augenmaß für die wichtigste Maßnahme. Denn weil jetzt jemand einen erweiterten Suizid begangen hat, sehe ich nicht, warum noch mehr Daten erhoben werden oder wir wieder Pässe zücken sollen. In Frankreich gibt es die Vorratsdatenspeicherung. Die Täter des Anschlags auf Charlie Hebdo waren (lt. einiger Zeitungsberichte) vorher als Gefährder bekannt. Was hat es genutzt?

Doch selbst dort dreht sich am Ende alles wieder nur um die schnöde Kohle.