Was ist die „Gefahrenlage“?
Weil sich die „Gefahrenlage“ entspannt habe, wären die Absperrungen in Braunschweig aufgehoben worden. Mich würde interessieren, was diese „Gefahrenlage“ definiert.
Den Radioberichten folgend, gab es eine konkrete Bedrohung. Die muss von von „jemandem“ oder „etwas“ ausgehen. Wurde der Bereich abgesperrt, in dem dieser Jemand oder das Etwas sein muss, muss man „ihn“ oder „es“ haben. Dann kann sich die Gefahrenlage entspannen. Davon berichten die Radiomoderatoren allerdings nichts.
Wenn „es“ oder „jemand“ nicht festgesetzt wurden, heißt das im Umkehrschluss, dass ein Bereich abgesperrt wurde, in dem es gar keine Gefahrenlage gab. Womöglich kann sich die Situation nur einstellen, wenn der Bereich gar nicht gesperrt würde. Dann kann präventiv etwas verhindert werden. Die Bedrohung als solche bleibt aber.
Denn „es“ oder „jemand“ ist — so überhaupt tatsächlich da — weiter da draußen. Ich wäre jedenfalls außerordentlich überrascht, wenn die Gefährdung in direktem Zusammenhang mit einem Umzugswagen des abgesagten Faschingsumzuges stünde. Den hätte man einfach aus der Reihe nehmen können. Fertig. Wenn die Gefährdung von Personen ausgeht, laufen die noch herum.
Bei den traurigen Vorfällen in den letzten Wochen wurde hinterher immer betont, die Täter seien bekannt gewesen. Danach hilft das allerdings weder den Getöteten noch ist es den Verletzten und Hinterbliebenen ein Trost. Daraus könnte vorher eine Maßnahme hergeleitet werden. Ist eine Gefahr bekannt, lässt sich die aus der Welt schaffen. Alles andere erscheint mir jedenfalls mehr als vage.
Es ist fraglos eine Gratwanderung. Wenn jemand „Bombendrohung!“ ins Telefon ruft, sollte trotz Fasching niemand lachen. Leider kann es sehr ernst gemeint sein. Wenn das jemand aus der Szene ist, wie es (wieder) im Radio heißt, wäre es taktisch unklug, würde er namentlich zitiert. Für alle Betroffenen, also wir, die Bevölkerung, wird das Ganze damit allerdings eine unerquickliche Gemengelage. Dieses kann sein, muss aber nicht, aber eben drum-Gefühl ist kein freundlicher Begleiter.
In der Szene wird jetzt mutmaßlich großen Kehraus gemacht. Welcher Verräter ihnen den Tag versaut hat, wollen die natürlich wissen. Die Sicherheitsbehörden können diese entstehende Unruhe für eine finale Beseitigung der Bedrohung nutzen. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls wäre es wünschenswert. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass die mediale Panikmache aufhört.
Wem hilft es, wenn wir alle bis an die Oberlippe mit Mißtrauen gefüllt, durch den Tag laufen? Ängstliche Menschen sind nicht aufmerksamer oder vorsichtiger. Angst ist selten der Begleiter umsichtiger Entscheidungen. Statt den Leuten so blöde Fragen wie es sich anfühlt zu stellen, wäre es hilfreicher, wenn es Tipps für den vernünftigen Umgang mit der Situation gäbe.
Aus fühlt sich bedrohlich an wird leicht ein diffuser Mob ängstlich Besorgter, die eine subjektiv als gefährlich ausgemachte Situation selbst klären wollen. Ausgerechnet wir Deutschen kennen uns damit im Rückblick ziemlich gut aus.
Aus dem laut Aussprechen, wie Scheiße sich etwas anfühlt, wird sich jedenfalls kein sinnvoller Umgang mit der Situation herleiten lassen. Ein Rennläufer konditioniert sich vor dem Lauf sicher nicht mit ich werde verlieren, ich werde verlieren, ich werde verlieren. Weil dann genau das passiert.
Wie wäre es mit:
Sei aufmerksam, aber gehe davon aus, dass die meisten da draußen nette Mitmenschen sind, die genau wie du einfach nur einen schönen Tag haben wollen. Egal welche Hautfarbe, welche Religion, sie oder er hat.
Vor allem sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es in Deutschland typischerweise wahrscheinlicher ist, dass ich durch einen blöden Unfall verletzt oder getötet werde, als durch Terroristen. Wenn mich das bisher nicht nervös gemacht hat, lässt sich „die Gefahrenlage“ womöglich etwas leichter verorten.