Wenn viel zu wenig ist
Mario Draghi will die Wirtschaft ankurbeln. Der Leitzins verdient den Namen schon lange nicht mehr, weil „Zins“ vom Lateinischen census kommt. Das wiederum bedeutet „Schätzung, Steuer“.
Steuern in Höhe von 0,05% würde wohl kaum jemand erheben, weil wahrscheinlich der Verwaltungsaufwand und die damit verbundenen Kosten so eine Steuer absurd machen. Dann lieber keine, aber Geld sparen, weil die Kosten wegfallen. Könnte man meinen.
Jetzt scheißt die EZB auf den eh schon großen, stinkenden Haufen verfallender Werte noch einen großen oben drauf. 60 Milliarden Euro zusätzlich für den Aufkauf von Staatsanleihen. Ab März bis mindestens Ende September 2016 will sie diesen Betrag monatlich drauf packen, damit die Banken endlich mit Kreditvergaben die Wirtschaft ankurbeln.
Wenn ich mir die Leitzins-Entwicklung seit 2000 ansehe, hatte der bis ca. Mitte 2012 durchaus den Namen verdient. Da waren es noch Zahlen vor dem Komma. Die Banken hielten ebenfalls im ganzahligen Bereich bei Hypothekenzinsen mit. Die lagen bis Mitte 2012 jeweils so um die 2% über dem Leitzins. Als der dann nach unten durchbrach, folgten die Banken aber nicht.
Schaue ich als nächstes aktuelle Kredit-Angebote an, geht als Schnapper alles unter 1,5% durch. Klingt eigentlich erst mal ziemlich cool. Wer Geld braucht, den wird es freuen. Genau genommen wird er aber so richtig abgezogen von den Banken.
Liegt der Leitzins der EZB bei 2% und der Kreditzins des Bankkunden bei 4%, rechnet sich das schlicht gezeichnet etwa so:
- Die Bank holt bei der EZB 100 € und zahlt dafür 102 € zurück.
- Dem Kunden leiht sie 100 € und bekommt 104 € zurück.
- Für 2 € Einsatz gibt es 2 € Aufwandsentschädigung.
- popelige 100% Marge
Bei einem Leitzins von 0,05% und einem Kreditzins von 1,25% sieht es etwas anders aus:
- Die Bank holt bei der EZB 100 € und zahlt dafür 100,05 € zurück.
- Dem Kunden leiht sie 100 € und bekommt 101,25 € zurück.
- Für 0,05 € Einsatz gibt es 1,20 € Aufwandsentschädigung.
- schlappe 2400% Marge
Da frage ich mich, ab wann für Banken die Vergabe von Krediten an die Wirtschaft wieder interessant werden könnte.
In absoluten Zahlen sind es fraglos weniger Euro, die liegen bleiben. Ich halte 1,20 € pro 100 € Vermittlungsgebühr für den Verleih von Geld, das die Steuerzahler der EZB geben — also dem Geld anderer —, unter den gegebenen Umständen für hinreichend üppig. Typischerweise hat der Leihbetrag noch ein paar Nullen mehr am Ende und die Bank einen Grundbucheintrag, den der Schulder noch selbst bezahlen darf. Falls dennoch was schief geht, gibt es für die Bank einen Rettungsschirm der EU.
Die Staatschulden von Griechenland & Co. sind Geld, das mit Steuergeldern an Banken zurück gezahlt werden muss, die wiederum stramme Zinsen von den schlechten Zahlern nehmen. Daran haben sich schon diverse Spekulanten inklusive der geldgebenen Banken ordentlich bedient. Egal wie es kommt, gewinnen die Banken in dieser Konstellation immer. Als Bonus gibt es von Mario D. auch noch eine wohlige Nackenmassage. Daher frage ich mich, ob das tatsächlich der EU-Wirtschaft, insbesondere den angeschlagenen Staaten hilft.
Bei den Nichtsparern gibt es keine Not, die Schulden abzubauen. Kosten ja nix mehr. Im Gegenteil, ich kann mir billig Zeit kaufen.
Vernünftiges wirtschaften ist bei diesen Rahmenbedingungen total unattraktiv, denn was zurücklegen lässt das schneller schrumpfen, als nachgelegt werden kann. Absehbar werde ich für meine Rücklagen, Renten- und Lebensversicherungen inklusive (die uns von der Politik so dringend ans Herz gelegt wurden, man muss sich um seine Vorsorge selbst kümmern...), weniger Wert sein, als sie gekostet haben. Womit die Geldwirtschaft hier ebenfalls ordentlich Reibach macht.
Womöglich ist das wirkliche Problem der Nihilismus der Banken, der den EU-Bürgern den Tag versaut. Wenn ich immer gewinne, egal wie ignorant, unüberlegt oder unfair ich spiele, dann kann ich hemmungslos auf jegliche Ethik, Verantwortung und Regeln scheißen.
Womit wir wieder beim großen, stinkenden Haufen sind.