Erlebniswelt Baumarkt
Samstags in den Baumarkt. Eigentlich war schon vorher klar, dass es keine gute Idee ist. Das war erschreckend richtig, allerdings ganz anders, als vermutet.
Der und immer mehr die Deutsche haben samstags ein alternatives Zuhause. Das sind die Baumärkte der Republik. Jedenfalls stellt sich dieser Eindruck ein, sobald aufgrund schlechter Terminlage der eigene Besuch nur an einem Samstag möglich ist. Da sind die Flure gefühlt bestenfalls nur halb so breit.
Ich dachte strategisch, wissend, was mich erwartet. Zuerst rein gehen, schauen ob alles da ist, was ich brauche. Wenn das der Fall ist, die Waren an einem Punkt zusammen ziehen, bevor ich mit dem Auto in die Markthalle einfahre. Denn das war der neuralgische Punkt der Operation: ich wollte mehrere Säcke Armierungsmörtel kaufen. Weil schwer, wollte ich mir mehrfaches umladen ersparen. Statt „Sack → Einkaufswagen → Kassenschlacht → über den Parkplatz rumpeln → Einkaufswagen → Auto“ einfach „Sack → Auto → Kasse“.
Die zusätzlichen Kleinteile hatte ich hinter einem Karton bei den Säcken gebunkert. Es sah gut aus. Heute war augenscheinlich „Kleinteile-Tag“, denn in der Markthalle waren vergleichsweise wenige unterwegs. Also raus, Auto rein und — es kam anders.
Beim Einfahren war die Welt noch in Ordnung. Mit trainiertem Auge die Leute im Blick haben, die das erste mal in ihrem Leben eine Brett ins Auto einladen und sich wundern, warum vier Meter Brett nicht in drei Meter Auto passen. Oder gedankenverloren vor den Hochregalen sehen und erst in letzter Sekunde vor dem gut sichtbar langsam heran rollenden Fahrzeug ausweichen. Das „ranrollen“ ist wichtig — sonst wachsen sie da fest.
Ich war schon fast am Ziel meiner Einkaufsträume. Es verwunderte mich anfangs lediglich, weshalb da ein rotes Auto mitten in der Fahrspur stand, Heckklappe auf, kein Besitzer weit und breit. Ich setzte meins daneben auf die Ladezone (steht gut lesbar auf dem Boden), Heckklappe auf, Rücksitzbank umlegen, Säcke einladen. Während ich die sechs Beutel á 25 kg aus einer hinteren Ecke hervorzog und ins Auto packte, bildete sich hinter dem roten Wagen eine Warteschlange.
Beim Einlegen meines letzten Beutelchens wuchs dort bereits der Unmut. Ich wähnte mich noch im Glauben, dass ich gleich zur Kasse fahren würde, damit eben über die Parkzone ausgefahren werden kann. Als ich meine Kleinteile geholt hatte, war der rote Wagen so nach vorn gezogen, dass auch ich jetzt zu den Eingekeilten gehörte.
Ich zog rückwärts hinter die Schlange, ebenfalls „leicht vorgespannt“ was den Mitmenschen im blockierenden Fahrzeug betraf. Dieser Mitmensch — genauer — die Mitmenschin — bediente in Personalunion alle Klischees. Aus Nachfragen und aufzuschnappender Teilkommunikation mit dem am Ohr verwachsenen Mobiltelefon ergab sich ein Bild:
Sie wolle einen Putz kaufen, wisse aber nicht, wo der sei. Weshalb dann das eigene Auto für alle anderen als Wegsperre herumstand, war ganz simpel. Was sie genau kaufen wollte, wusste sie ebenfalls nicht. Die Tochter habe sie geschickt. Das Auto aus dem Weg fahren ginge schon gar nicht, denn sie könne nicht rückwärts fahren. Jetzt müsse sie erst mal — telefonisch — klären, warum sie überhaupt im Baumarkt sei. Letzteres ist meine Interpretation ihrer schnippischen Bemerkungen.
Mit offener Heckklappe, strategisch gut platziert in der Ausfahrt der Markthalle. Das hatte was von „300“. Da blockierten ebenfalls wenige an einem Engpass den Durchlass für Viele. Was filmisch und historisch ein ziemliches Blutbat war. Da ging es in der Markthalle deutlich zivilisierter zu. Der Herr am Schlangenkopf erbarmte sich und weckte mit seiner Arbeitshose offenkundig Vertrauen bei der Dame. Die — parallel zum Telefonieren — deutlich zu verstehen gab, dass sie den Unmut der Wartenden in keiner Weise verstehen könne. Er konnte nach zwei Fragen ausmachen, was gebraucht wurde und lud es ohne langes Gewese in die offene Heckklappe. Ob des optischen Bildes und souveränen Auftretens war die Dame beeindruckt und verkroch sich in ihr Fahrzeug.
Parallel widerlegte die Dame im Kassenhäuschen der Markthalle den Stereotyp des verhuschten Weibchens. Sie sah das Elend offenbar frühzeitig kommen. Daher telefonierte sie eine Kollegin herbei. Die schnappte sich den Funkscanner und kassierte hinter dem roten Wagen mit entschuldigenden Worten die Ware ab. Die im Kassenhaus verbliebene Mitarbeiterin sorgte für die reibungslose Bon-Ausgabe und das Geldeinsammeln. „Zeigen Sie mir beim Ausfahren kurz den Bon, dann mache ich die Schranke auf. Und — … Entschuldigung… .“ Letzteres mit einem Blick der bewies, das Frauen keinen Mittelfinger brauchen. Die können das mit den Augen.
Natürlich entspann sich ein „Schlangen-Talk“ der Wartenden. Der bediente durchaus die Klischees, befeuert durch die Erkenntnisse, die Einzelne bei durchaus hilfsbereiten Nachfragen aufgeschnappt oder erhalten hatten. So gesehen war das durchaus unterhaltsam. Leider öffnete sich bei meiner Ausfahrt aus der Markthalle der Himmel. Für einen kurzen Augenblick dachte ich, die Wetter-App, auf die meine Frau schwört, ist bestimmt von Frauen gemacht. Aber das waren nur Echos des „Schlangen-Talks“.
Denn das Wetter wird von überiegend männlichen Meteorologen bestimmt. Wenn ich raus schaue steht fest: die haben genauso wenig Ahnung davon, wie so manche Frau im Baumarkt von Putz. Objektiv gesehen bringen demnach Kerle mehr Verärgerung in die Welt. Welche Erkenntnis nach einem Baumarkt-Besuch!