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Mehr Video-Überwachung?

Erstellt: 08.01.2016 Lesedauer 2 - 3 Min.

In den gerade gesendeten Nachrichten ruft die CDU nach mehr Videoüberwachung, „wegen der Vorfälle in Köln“. Dabei liegen die Probleme doch wo ganz anders.

Meine erste Gegenfrage wäre: und wer soll sich die Videos anschauen? Was hilft mir denn ein Video, in dem ich sehen kann, wie jemand verprügelt wird? Ein Vorfall vor rund einem Jahr in München zeigt das Problem sehr deutlich. Die U-Bahn in München ist meines Wissens ganz gut Video-überwacht. Geholfen hat das aber nicht. Geholfen haben Passanten, in Ermangelung von Polizei, die das erst drei Tage später meldet.

Ich erinnere mich an einen Sachschaden an meinem Fahrzeug, bei dem allein das Nachfragen nach dem Stand der Dinge eine Herausforderung war, da das Buch — ja das physische Buch! — für die Erfassung der Unfälle gerade nicht da war. Und der in den Computer (ja, Einzahl) erfassende Kollege frei hatte, weshalb es da nichts zu finden gab1.

Videoüberwachung schafft allenfalls ein vermeintliches Gefühl von Sicherheit. Denn wenn da niemand ist, der mir hilft, dann kann ich zwar verzweifelt Richtung Kamera winken. Aber da sitzt allenfalls jemand, der zuschaut. Loslaufen wird der aber nicht. Andere Jobbeschreibung. Und die „Loslaufer“ wurden in den letzten Jahren systematisch reduziert. Immer mehr Polizeiwachen sind nur wochentags besetzt, wer abends oder am Wochenende kommt, findet immerhin einen Zettel an der Tür, dass man Anzeigen auch im Internet aufgeben kann. Weiß ich als persönlich Betroffener nach einem Fahrraddiebstahl. Oder am Montag in den Geschäftszeiten. Das bedeutet gleichzeitig, dass da kein Personal ist, dass beispielsweise Streife fährt. Oder kurzfristig bei Gefahr in Verzug verfügbar ist. Fehlt nur noch der Automat, der sich in immer mehr Ämtern findet:

Ziehen Sie eine Platznummer und warten Sie, bis Sie dran sind.

Ich will gar nicht wissen, wie lange eine Bildüberwachung am Kölner Dom dauert, wenn die Videos erst mal alle gesichtet werden müssen, weil für die Life-Monitorwand weder Platz noch Geld vorhanden ist. Und vor allem das qualifizierte Personal fehlt, dass aus einem Videobild zeitnah die richtigen Schlüsse zieht und Leute zum losschicken hat. Tankstellen mit Video-Überwachung werden immer noch überfallen, in U-Bahnen werden Gewalt-Videos gedreht (ausgerechnet in München auffallend häufig). Was zumindest bei mir berechtigte Zweifel aufkeimen lässt, ob allein Videokameras hinstellen ausreicht, ohne dass daran flankierende Maßnahmen in Form von Personal, vernetzter Technik, etc. für eine wirkungsvolle Prävention oder zumindest zeitnahes Einschreiten geknüpft sind. Was für das Wahlvolk unsichtbar bleibt, es aber teuer macht.

Sicher: Eine Videokamera wird nicht krank und wird keinen höheren Lohn fordern. Sie zeigt dass man sich kümmert. Politiker investieren lieber in Technik als in Menschen. Weil die schlimmstenfalls ausfällt, aber nicht motzt, wie die Polizeisprecher der Länder, die schon seit Jahren vor den Folgen des Personalabbaus warnen. Echte Sicherheit kostet Personal und hat einen Preis.

Problematischer an den Vorfällen in Köln ist, dass man den bisherigen Schutzüberlegungen eine hinterfragen muss: einsame Gegenden meiden, bleibt wohl. Aber da wo viele sind wird dir weniger passieren ist nach den Vorfällen nicht mehr haltbar. Zumindest nicht, wenn sich Gruppen für solchen Aktionen verabreden. Was noch nachdenklicher macht: Es gibt von den konkreten und anderen Vorfällen Videos, die aktuell in (völlig überflüssigen und sensationsgeilen) Sondersendungen etc. hoch und runter gespielt werden.

Ich habe mir davon nichts angesehen, denn es macht mich wütend. Warum ist keiner von den „Kameramännern“ zur Unterstützung geeilt oder hat wenigstens die Polizei gerufen? Weil ein (YouTube-)Video wichtiger als Empathie und konkrete Hilfe ist?

Mir ist nicht bekannt, ob es an vergleichbaren Plätzen ohne Videos signifikant mehr, bzw. überhaupt mehr Übergriffe — gleich welcher Art — gibt. Es gibt nur jedes Mal Geschrei — vorzugsweise von „C“-Parteien — danach. Wobei das täglich sein müsste, wenn die Bedrohungslage so hoch ist, wie sie beim Geschrei gern gehoben wird. Allerdings ist das Ganze ziemlich absurd, wenn zwar Kameras laufen, aber keine Aufzeichnung. Denn dann ändert sich schlicht gar nichts, nur dass es eine teure Überwachung gibt, die weder verhindern, noch bei der Verfolgung nachhaltig unterstützen kann.

1Das ist mir Ende 2014 in Braunschweig passiert, der zweitgrößten Stadt Niedersachsens.