Der normale WahnsinnAlleWerbung nervt

gedanken,medien

Wenn die Schwelle sinkt

Erstellt: 24.07.2016 Lesedauer 2 - 3 Min.

Herr Kleber meint, die öffentlich-rechtlichen Sender müssten „ohne Zögern und ohne Zeitbegrenzung «drauf gehen»“. Ich halte nichts von Dauerpanik und -betroffenheit.

Bei der Süddeutschen führt er aus, dass es eine Erwartungshaltung, einen Druck gäbe, Nachrichten über alles zu stellen. Gleichzeitig soll das «Rattenrennen mit Social Media» vermieden werden. Was ein Paradoxon ist. Außer den Informationen der „Social Media“ hatte auch das ZDF zuletzt bei aktueller „Sonder“-Berichterstattung wenig bis nichts im Angebot.

Da wird dann „eingeordnet“ — selbst nicht wissend, wohin, aber schon mal irgendwie. Notfalls beschwichtigend, dass man keinen Plan habe, aber davon viel. Jedenfalls hat Herr Kleber das bei den Ereignissen in München in laufende Kameras gesagt. Mit anderen Worten, aber im Ergebnis genau das.

Wenn er sich dann aufschwingt, es müsse schneller Programm-Unterbrechungen geben wenn „was los ist“, zitiert er die Privatsender. Die haben den Vorteil von Werbeunterbrechungen, die können länger oder die Werbung kürzer werden. Da ist der Zuschauer konditioniert. Gleichzeitig verweist er darauf, dass die Unterbrechung keine weiteren Erkenntnisse schafft. Lediglich zeigt, „wir sind dran“.

Das hat was von Kellner, der sich vor den Tisch stellt und ohne Unterbrechung erzählt, dass die Essensbestellung in der Küche ist. Er untermauert es mit Bildern der Überwachungskamera, wie der Koch durch die Küche rennt und verzweifelt die Zutaten sucht. Ein zweiter, auf Soßen spezialisierter Kellner erläutert die Unwägbarkeiten bei der Herstellung von Sauce Hollondaise. Dazu in Dauerschleife die Bilder, wie der Koch panisch in die leer Tüte Fertigsoße schaut.

Wie haben wir das „früher“ ausgehalten, als der Tag nicht von Dingen gestört wurde,

Da musste die Nachrichtensendung am Abend reichen, oder die Radionachrichten. Die kamen aber nicht ständig, sondern zur halben Stunde. Nachrichten halt. Keine Hysterie. Denn der Raum den manche Ereignisse mittlerweile bekommen, sind keine Nachrichten mehr. Das ist Dauerberichterstattung. Ohne verbindliche Parameter für die Einordnung wird das Ereignis damit völlig überhöht.

Während der gesamten Berichterstattung rund um München1 ging mir etwas anderes durch den Kopf. Warum beschäftigt sich niemand mit etwas, das in mehrfacher Hinsicht nützlich wäre:

Das könnte womöglich einiges von der Hilflosigkeit nehmen, die einen bei derartigen Meldungen befällt. Statt dessen paralysieren viele in eine Schockstarre und stehen fassungslos daneben. Wie Gaffer bei einem Unfall. Die Straßenverkehrsordnung hat dafür Bußgelder. Denn „dumm rumstehen“ kostet die Helfer Energie und macht Probleme. Journalisten werden bei solchen Ereignissen zunehmend zu professionellen Gaffern, die andere Gaffer bedienen.

Statt Empathie für Betroffene, wird mit dem Smartphone drauf gehalten. Das gibt den von Herrn Kleber zitierten „Rahmen“ und schafft gleichzeitig Distanz. Statt erster Hilfe gibt es Social Media-Beiträge. Damit alle was davon haben. Ich finde es beängstigend, dass Leute um ihr Leben rennen, aber gleichzeitig filmend darauf achten (wollen), dass alles gut im Bild ist. Mein erster und wichtigster Gedanke wäre das nicht. Das weiß ich verbindlich.

Was erwartet uns, wenn die Schwelle noch tiefer sinkt und nur noch die Nachricht wichtig, aber der Inhalt eigentlich egal ist? Wenn alles „jenseits des Normalen“ (was immer das ist) „die Schwelle senkt“ und eine Sondersendung wird, wird es „normal“. Wollen wir das wirklich?

Es gibt Sender, die sich auf „Dauernachrichten“ eingestellt haben. Wer das braucht, kann sich derer bedienen. Die mediale Gleichschaltung halte ich für bedenklich. So schrecklich jeder einzelne Fall sein mag, so hat er ein Merkmal: ein Einzelfall. Von vielen, die sonst auch noch passieren.

Wer ständig durch die Lupe schaut, muss sich klar sein, dass hindurchfallendes Licht Feuer entfachen kann. Dann werden aus Einzelfällen „Serien“. Alle Ereignisse der letzten Wochen bestätigen das indirekt.

1Eigentlich wollte ich „abhängen“ denn der Tag war für mich persönlich schon Stress genug. Egal wohin ich zappte, „München“ war überall.