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Die Macht der Selbstbeschränkung

Erstellt: 05.04.2017 Lesedauer 1 - 2 Min.

Alles wird normiert, alles wird reguliert und wir – lassen uns das gefallen. „Ist halt so“.

Ich erinnere mich an die Anfänge des Berliner Hauptbahnhofs. Da gab es Lifte, die fuhren entweder nach ganz oben oder ganz nach unten. Für eilige Reisende – wie ich damals einer war – ziemlich blöd, wenn das Teil nicht da hält wo gedrückt wurde. Die Richtung stimmte zwar, mutmaßlich weil „oben“ nach „noch weiter hoch“ physikalisch begrenzt war. Die Kiste schoss jedoch immer über das Ziel – sprich: die adressierte Etage – hinaus.

Es sprang auch kein Guido Cantz hinter einer Säule hervor. Hätte mutmaßlich kommentarlos auf die Zwölf gegeben, denn die geplanten Umsteigezeiten waren eng, dreimal sinnlos ganz hoch, ganz runter mit dem Aufzug war nicht eingeplant. Mein Zug war weg.

Daraus ergaben sich dann ca. 60 Minuten ungeplanter Aufenthalt. Genug für den Weg zum Infostand. Einerseits, weil ich wegen der verlorenen Platzreservierung ziemlich angefressen war, andererseits, weil ich loswerden wollte, was ich von dieser modernen Technik halte.

Am Infoschalter mit drei Auskunftsplätzen saß ein armes Würstchen, mutmaßlich Lehrling mit PC-Allergie. Denn die Hände waren primär irgendwo, statt auf der Tastatur für die Auskünfte an Leute in der Schlange, in die ich mich einreihte. Als ich endlich dran war, war die Reaktion auf mein Problem recht übersichtlich: „Was soll ich da jetzt machen? Ist halt so“.

Ich hätte gern gemacht, was Cantz ob seiner Abwesenheit erspart blieb. Gewalt ist jedoch keine Lösung. Daher war meine gut vernehmliche Antwort „Tippen lernen, damit das mit dem Erfassen von Störungsmeldungen schneller klappt. Macht zufriedene Kunden und kürzere Schlangen.“ Das wurde mit einem Applaus der nach mir Stehenden quittiert – eine kleine Genugtuung.

Persönlich habe ich große Schwierigkeiten mit Schicksalsergebenheit. Hätte ich mich von „das ist halt so“ leiten lassen – schwer zu sagen, was aus mir geworden wäre. Ich halte es lieber wie die Hummel. Die wiegt 4,8 Gramm und hat eine Flügelfläche von 1,45cm² bei einem Flächenwinkel von 6 Grad. Aus aerodynamischer Sicht kann sie nicht fliegen. „Ist halt so“.

Allerdings ist der Hummel egal was die Ingenieure sagen: sie fliegt trotzdem. Viele wichtige Schritte in meinem Leben bin ich gegangen, weil „ist halt so“ kein Grenzbaum für mich war, sondern Ansporn. Für mich wurde aus „ist halt so“ häufig „eben drum“.

Ich bin mir sehr bewusst, dass ich neben den herausragenden „eben drum´s“ nur eine kleine Funzel bin. Von den vielen „das ist halt so´s“ unterscheide ich mich dennoch in einem entscheidenden Punkt: ich brenne wenigstens ein bisschen. Das tut nicht weh, das ist ganz leicht. Einfach machen. Wie die Hummel.