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Medienberichte

Erstellt: 04.12.2018 Lesedauer 3 - 4 Min.

Wenn Boten sich gegenseitig als Quelle der von Boten überbrachten Information nennen, wird aus der Botschaft „stille Post“ mit variabler Aussage.

🔍 Screenshot FR-Artikel
Einem Medienbericht zufolge“ – berichtet eine regionale Zeitung von etwas, was der Einleitung folgend keine eigene Recherche ist, sondern – genau genommen – Hörensagen.

🔍 Screenshot Neue Osnabrücker Zeitung
Quelle der Information ist eine andere regionale Zeitung – hier die „Neue Osnabrücker Zeitung“ – die das Thema eher unter ferner liefen abhandelt, während es die Frankfurter Rundschau mit einem geeigneten Bild auf die Titelseite hebt.

Das Sinnbild der FR erscheint besser geeignet als das bei der NOZ, die eine Erklärung schuldig bleibt, weshalb deutsche Rechtsextremisten französische Fahnen schwenken sollten.

🔍 Screenshot FR-Titel

Dafür referenziert die NOZ die Deutsche Presseagentur als Quelle und bleibt in seinen Ausführungen im Konjunktiv, während die FR in der Sprachwahl Fakten schafft, denn aus „würden per Haftbefehl gesucht“ der NOZ leitet die FR „können die Haftbefehle … nicht vollstreckt werden“ ab. Aus „von den Behörden … nicht aufzufinden“ der NOZ wird bei der FR „weil sie untergetaucht sind“.

Eine deutliche Verzerrung der Aussage. Es ist ein signifikanter Unterschied, ob jemand „nicht aufzufinden“ ist oder „untertaucht“.

Das Eine ist der Paketbote, der keine passende Klingel findet und weiter fährt, das Andere der Paketempfänger, der ohne zurücklassen einer neue Adresse weg zieht.

🔍 Screenshot Neue Presse
Das wird mit der Aussage in der FR ergänzt, die NOZ schreibe, „jeder vierte Gesuchte gelte als gewalttätig“ – was beim Aufruf des Artikels der NOZ dort im Artikel unauffindbar ist. Aus den bei der NOZ noch präzise bezifferten 457 Menschen werden in einem anderen Zitat bei der „Neuen Presse“ mal eben „fast 470“, die im Artikel dann auf „467“ reduziert werden – immer noch 10 mehr als in Osnabrück. Die zitiert im Artikel die NOZ, weist unter dem eigenen Artikel jedoch Von RND/dpa als Quelle aus („Redaktionelles Netzwerk Deutschland – Deutsche Presseagentur“). Dort werden wohl die von der FR genannten 25% Gewalttäter ausgeführt, was ungeprüft bleiben muss, denn dpa selbst veröffentlicht keine Nachrichten.

Dass in der Zahl der Gesuchten auch die enthalten seien, die lediglich die Miete geprellt haben, ohne dass es konkrete rechtsradikale Beschuldigungen gibt, schreibt keiner davon. Das hat gerade der Korrespondent in den Radio-Nachrichten (RBB 88,8) erwähnt.

🔍 Screenshot Tagesschau
Währenddessen zieht der Artikel mit Referenz auf die „Neue Osnabrücker Zeitung“ weitere Kreise und findet sich u.a. bei der „Tagesschau“. Dort wird immerhin noch konkretisiert (wo immer es her kommt, Quelle dafür fehlt, denn in der NOZ gibt es keine derartigen Zahlen), dass 108 wegen politischer Delikte und 99 wegen Gewaltdelikten gesucht werden. Wie daraus nach Adam Riese 457 werden, bleibt ein Geheimnis.

Bemerkenswert ist, dass die „Neue Osnabrücker Zeitung“ als Quelle benannt wird, obwohl die doch zweifelsfrei die „Deutsche Presseagentur“ als Quelle nennt. Auf die dürften alle anderen Medien sicherlich gleichermaßen Zugriff haben. Es spart wohl Geld, denn dpa lässt sich seine Informationen bezahlen (s. Link weiter oben). Ein Querverweis auf den Artikel der NOZ dürfte dagegen deutlich günstiger bis kostenfrei sein. Allerdings ist offensichtlich, dass aus einem Artikel mit durchaus noch journalistischer Distanz verschiedene Darstellungen werden, die durch Sprachwahl und kleinen Ungenauigkeiten tendenziöser und schneidiger werden.

Wer dem Link auf der Seite der *Tagesschau* folgt, wird sich endgültig die Augen reiben, denn der zitiert ein paar Tage vorher den Tagespiegel – mit nochmals anderen Zahlen zum gleichen Thema.

Beim Tagesspiegel selbst finde ich dann allerdings nur einen Artikel im entsprechenden Zeitraum, der als Quelle – Hossa! – die „Neue Osnabrücker Zeitung“ referenziert.

Was keiner macht: Die „kleine Anfrage an die Bundesregierung“ referenzieren, aus der das alles hervorgehen soll. Leidlich aktuell ist diese hier vom 14.11.2018, doch daraus lassen sich adhoc keine der sehr konkret genannten Zahlen ermitteln. Statt dessen taucht in der Anfrage an zwei Stellen der Tagesspiegel als Quelle für Information auf. „Untergetaucht“ oder „Haftbefehlt“ findet sich dagegen nirgends im Dokument. Demnach müsste es noch eine andere Anfrage geben – welche auch immer hier Medienberichten zufolge die richtige sein könnte.


Die Screenshots dienen als Belege für die hier getroffenen Aussagen. Das ist erforderlich, weil Online-Zeitungen sich – im Gegensatz zu Ihren Pendants aus Papier – durchaus verändern, ohne dass ein Veränderungsvermerk durch die Redaktionen erfolgt.Da es um den Text geht, wurden sie zugunsten der Dateigröße mit reduziertem Farbumfang erzeugt und einem Zeitstempel versehen. Das führt zu (hier irrelevanten) Farbverfälschungen in der Darstellung.