Nach langem Palaver
Immer mal wieder kreuzen „Neurolinguisten“ meinen Weg. Jedes Mal frage ich mich anschließend, was das Gewese um etwas soll, das letztendlich nur mit Offensichtlichem daher kommt.
Die bei Wikipedia beschriebene, mögliche Ausprägung der neurolinguistitischen Paradigmen liest sich für mich bei den „Vorannahmen“ wahlweise wie Allgemeinwissen oder wie grober Unfug. Wer mit einigermaßen funktionierenden Sinnen durch das Leben geht1 kapiert schnell, dass für eine Frau die Fußgängerzone (typischerweise) aus Schuhläden besteht, während Männer dort nur die Technik-Shops kennen. Hossa! So entstehen individuelle „Landkarten“. Das Kernproblem zwischenmenschlicher Kommunikation.
Jeder geht von dem aus, was er kennt bzw. wofür Interesse besteht. Wenig überraschend geht daher jeder vornehmlich Wege innerhalb seiner Modelle. Doch bereits hier kommt das numinos laudative Paket banaler Weisheiten ins straucheln. Denn das nativ latente Problem eines jeden Menschen ist, dass eben keineswegs jeder alles kann oder jeder nur Gutes will. Die NLP-Vorannahmen lassen eine gewisse Absurdität erkennen, wie zwei kleinen Beispielen zeigen:
Vorannahme: „Widerstand beim Klienten bedeutet mangelnde Flexibilität auf Seiten des Beraters.“
- Gemeinsam Kochen
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Zwei NLP-Cracks wollen gemeinsam Essen kochen. „A“ hat Lust auf Bratwurst, „B“ hätte lieber Buletten. Jeder nimmt die Aussage des anderen als Feedback und reagiert flexibel. Heraus kommt Nudelsuppe. Die gibt es zwar nicht bei dem Metzger, vor dessen Theke beide für den Einkauf stehen, aber da greift dann „Wenn etwas nicht funktioniert, tue etwas anderes“. Sie gehen zum Chinesen.
- Gerätekauf
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Ein Verkäufer – „Berater“ – will Waschmaschinen verkaufen. Der Kunde – „Klient“ – sucht unglücklicherweise einen Kühlschrank. Die sind aber aus. Dank der überwältigender NLP-Kompetenz des Verkäufers verlässt der Kunde mit einer Mikrowelle unter dem Arm den Laden.
Ob das zu einer befriedigenden und nachhaltigen Geschäftsbeziehung führt, darf bezweifelt werden. Spätestens zu Hause, wenn Mutti den Aufschnitt verräumen will, gibt es mit Sicherheit ein heftiges Erweckungserlebnis.
Apropos Mutti. Jede Mama hat von Haus aus eine NLP-Toolbox, ganz ohne spezielle Lehrgänge oder Zertifikate. Wenn der Filius mault, das Fahrrad sei kaputt bekommt er den Tipp, er könne doch laufen. Das kommt in dessen „Modell“ vor, löst die „gewünschte Reaktion“ aus (ab in die Schule) und „modelliert ein Verhalten“. Lauter unerkannte NLP-Cracks, die Muttis!
Ziemlich irrwitzig ist die Vorannahme, „Menschen haben alle Ressourcen in sich, die sie brauchen (um ihre Probleme zu lösen).“ Mir stellt sich die Frage, wozu es dann NLP-Trainer braucht, wenn jeder Mensch den Doktrin folgend sich selbst helfen können müsste2. Vermutlich, weil ja jemand die Ressourcen frei legen muss, damit sie maximal ausgebeutet werden können. Dafür werden ein paar Anker geworfen und die Welt liegt dem durch NLP Erleuchteten zu Füßen.
Dass es da draußen verdammt viele flachen Sandstrände gibt, auf denen kein Anker in den hohen Wogen des Lebens liegen bleibt – ein irrelevantes Detail. Das ist ja kein Fehler oder Defizit. Das ist Feedback.
Dumm labern ist demnach kein Fehler oder Defizit sondern ein Feedback3.
Meine Erfahrung mit Neurolinguistikern teilt sich grob in drei Gruppen. Entweder sind es arrogante Arschlöscher die sich für den Sonnenkönig halten oder sehr soziale, empfindsame, suchende Menschen, die gerne Helfen wollen und verkennen, dass sie selbst Hilfe brauchen. Darüber hinaus gibt es noch diejenigen, die ihr NLP an andere weitergeben wollen – NLP als Selbstzweck sozusagen.
Nachdem ich aufgrund einer Projekt-Option mal wieder mit NLP konfrontiert wurde, bestätigt sich für mich eine bereits vor rund 20 Jahren gefundene Erkenntnis: ich brauch's nicht.
Amüsant ist die vermeintliche Kritikfähigkeit, die in einer ausweichenden oder gar verweigernden Form oft bei Neurolingojüngern anzutreffen ist. Da wird im verknüpften Artikel vor über vier Jahren angekündigt, dass man sich mit einem Buch auseinander setzen wolle. Weil beim Durchlesen womöglich durch die eigenen Landschaften ein strammer Wind wehte, macht der Autor augenscheinlich lieber was anderes.
Leser wie ich könnten jetzt natürlich glatt zur Überzeugung gelangen, dass den Ausführungen des genannten Buches keine Argumente entgegen gesetzt werden können. Eine Rezension von „Wenn Manager auf Bäume klettern“ macht Lust auf die „Trilogie über die menschliche Einfalt“ .
Bei Haufe gibt es drei Beiträge des Buchautors zum Thema NLP. Sie haben bei mir mehrfach ein herzliches Lachen ausgelöst. Sie sind ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich „klare Ansagen“ humorig und hintersinnig verpacken lassen. Nach der Lektüre war mir klar, weshalb „NLP für Alle“ den angekündigten Bericht schuldig bleibt und auch den bei Verweisen üblichen Hyperlink weg lässt. Doch da möge sich jeder selbst ein Bild machen:
- Der große NLP-Bluff Teil I: Wie alles begann
- Der große NLP-Bluff Teil II: Pseudodiagnostik
- Der große NLP-Bluff Teil III: Keine Angst vor Beeinflussung
Für einen derart fundierten Vortrag fehlt mir die Expertise.
Die nervenaufreibend langatmigen Planspiele bei Gesprächen für eine mögliche NLP-getriebene Geschäftsbeziehung haben mir allerdings einmal mehr deutlich gemacht, dass ein Werkzeug noch keinen Handwerker macht. Denn zum etwas fest machen ist ein Hammer ohne Nägel nutzlos. Auch wenn palavert wird, dass draufhauen reicht.
1Was für die Anwendung von NLP-Techniken zwingend ist und bei umgekehrter Betrachtung die Frage aufwirft, wofür sojemand NLP braucht.
2Voranname „Menschen treffen innerhalb ihres Modells von der Welt grundsätzlich die beste ihnen mögliche Wahl.“
3Das lässt sich recht leicht beweisen. Einfach mal beliebte YouTube-Kanäle aufrufen. Die größe Zahl „Follower“ haben Kanäle, deren Beiträge ein hohen Stupiditätsanteil haben.