Was Vergleiche verraten können…AlleGanz schön groß

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Perfektionierte Sinnlosigkeit

Erstellt: 17.01.2018 Lesedauer 2 - 3 Min.

Es gibt Produkte für fragwürdige Zwecke, deren Sinnlosigkeit sich erst auf den zweiten Blick erschließt. Und potenzielle Nutzer damit für ihren Plan abstraft.

Mir wurde eine Internet-Adresse zu einem Ruby Calculator übermittelt. Der Hersteller nennt es das „ultimative Gerät für Prüfungsbetrug“. Auf den ersten Blick erscheint es tatsächlich so, als ob das der perfekte Begleiter für Lernverweigerer und Leistungserscheicher wäre. Doch das Video verrät, dass es letztendlich nur die Käufer betrügt (Video bei YouTube).

Das „ultimative Gerät“ hat eine inhärente Einsatzbeschränkung. Es ist lediglich in Fächern nutzbar, die den Einsatz eines Taschenrechners zweckmäßig erscheinen lassen. Damit sind die Fächer Deutsch, Französisch, Latein, etc. als Einsatzgebiet hinfällig. Doch selbst für die vermeintlich primären Einsatzgebiete Mathematik und Physik erweist sich das „ultimative Gerät“ als sinnlose Anschaffung.

Es beginnt damit, dass die Nutzung eine erhebliche Transferleistung erfordert. Denn die Tastatur ist zwar beschriftet, zur Tarnung jedoch mit Zeichen, die für die Formulierung von Fragen eher ungeeignet sind. Der Nutzer muss also erst einmal lernen, wo er welche Buchstaben findet. Genau darauf haben die adressierten Anwender solcher Geräte ja keine Lust: lernen. Andererseits hat lernen etwas mit Lust drauf und Motivation zu tun. Jeder kann was lernen, wenn er es will. Dass der Energieaufwand für das Erlernen des Handwerks zum Prüfungsbetrug in diesem Fall wahrscheinlich mindestens so hoch ist wie der Aufwand, für das Erlernen des Prüfungsstoffes, ist jedem „Spickzettelbauer“ bekannt.

Allerdings ist der aufwändig erstellte Spickzettel dem „ultimativen Gerät“ an einem Punkt drastisch überlegen: die Auseinandersetzung mit dem Prüfungsstoff für die Komprimierung des Inhalts auf der Gedankenstütze sorgte für die Kenntnis davon. Das erübrigt häufig den Einsatz des Hilfsmittels, weil allein das Vorhandensein beruhigte und das gesammelte Wissen dank der Vorbereitung so präsent ist, dass die Prüfung gemeistert werden kann. Für das „ultimative Gerät“ weiß ich nach den „Prüfungsvorbereitungen“ zwar, wie es bedient wird. Das ist längerfristig betrachtet sinn- und wertloses Wissen. Falls der Einsatz des „ultimativen Geräts“ aus irgend einem Grund eingeschränkt oder unmöglich ist, offenbart sich diese Erkenntnis direkt und in maximaler Härte.

Im Video sind die Texteingaben auf dem „ultimativen Gerät“ auf ein Minimum beschränkt. Die wenigen Zeichen werden über Tastenkombinationen erzeugt, d.h. jeder Buchstabe auf dem Display erfordert mehrere Tasteneingaben im Blindflug, weil die Tasten dafür zur Tarnungszwecken falsch bedruckt sind. Weshalb sich beim Frage stellen ein heftiges Tippgewitter über den vermeintlichen Taschenrechner ergießen muss, das vom Eingabemuster von der klassischen Formeleingabe drastisch abweicht. Damit verrät sich „das ultimative Gerät“ selbst.

Ich erinnere mich daran, dass insbesondere die naturwissenschaftlich ausgerichteten Lehrer extrem gute Spürnasen für Betrugsversuche hatten. Das Frage stellen dürfte sich wegen der unhandlichen Eingabe ziemlich in die Länge ziehen, wenn es unauffällig erfolgen soll. Bereits der Umstand, dass dabei die Gesichtszüge anders aussehen als beim problemorientierten Nachdenken, wenn der Blick eher in die Ferne geht, statt angespannt Tastencodes mit dem Ergebnis auf dem Display abzugleichen, halte ich für sehr verräterisch.

Der Gipfel des boshaften Unsinns ist die integrierte Chat-Funktion im „ultimativen Gerät“. Denn die Mitschüler mit dem gleichen Teil haben die gleiche Etappe hinter sich. Demnach sind sie mit Blick auf das Prüfungsthema genauso unwissend. Es kann durchaus passieren, dass sich Nutzer des „ultimativen Geräts“ so sehr auf den Betrugsversuch konzentrieren müssen, dass für eine Beantwortung der Prüfungsfragen keine Kapazitäten mehr frei sind.

Wenn ein Betrug funktionieren soll, erfordert das langfristige Planung, systematische Vorbereitung und sehr viel Übung. Darüber hinaus eine Menge Wissen weit über das eigentliche Zielgebiet hinaus. Vor allem jedoch Verschwiegenheit. Spätestens, wenn es ein YouTube-Video von einem Betrugswerkzeug gibt, schätze ich die Erfolgsaussichten als „ziemlich klar umrissen“ ein.