Schnäppchen!
Der schwarze Freitag oder virtuelle Montag – ausgeweitet auf eine ganze Woche – soll den (weihnachtlichen) Kaufrausch mit Schnäppchen anregen. Mit Appellen an Urtriebe aus der Zeit der Sammler und Jäger.
Spätestens wenn in den Privatsendern die Tipps und Tricks für die „Cyber-Monday-Woche“ hoch und runter laufen, entsteht bei mir der Eindruck, dass die Macher davon unterstellen, ihre Zuschauer hätten alle Anspruch auf einen Behinderten-Ausweis. Wobei ich aus eigener Erfahrung sagen kann, dass „amtlich“ geistig behinderte Menschen meistens viel cleverer sind, als es ihnen ihre Umwelt zutraut. Denen ist beispielsweise völlig egal, ob etwas billiger ist. Was sie wollen oder als unnütz einstufen, ist unabhängig vom Preis. Vermeintliches Sparen „Gesunder“ ist dagegen häufig eine überflüssige Investition in etwas, dass ohne Rabatt-Versprechen niemals im Einkaufskorb landen würde.
Wie bekloppt das Ganze ist, verrät schon der Titel: „Cyber-Monday“. 24 Stunden könnten etwas knapp sein, deshalb wird noch „Woche“ dran gehängt. Keine Ahnung, auf welchem Planeten unseres Sonnensystems eine Montag eine ganze Woche dauert. Im virtuellen Raum des Internets lässt sich das hier auf der Erde zumindest simulieren.
Vermutlich wurde von den Verkaufsstrategen erkannt, dass die früher gesetzlich geregelten Zeiten für Preisnachlässe, der Sommer- und Winterschlussverkauf, alle länger als ein „richtiger“ Montag waren. Allerdings könnte „Cyber-Week“ den Eindruck vermitteln, der Schnäppchen-Jäger hätte Zeit und könnte auf maximalen Rabatt am Ende der Zeitspanne hoffen. Mit „Monday“ im Namen kommen dagegen spätestens heute, am Dienstag, die ersten Panik-Attacken hoch, es könnte knapp werden oder es gäbe nur noch „Reste-Rampe“.
So wie mich ein Rabatt von 30% auf hochprozentigen Alkohol im Discounter-Prospekt nüchtern bleiben lässt, weil er trotz niedrigerem Preis kein Artikel des täglichen Bedarfs für mich wird, wecken die Cyber-Attacken bei mir kein Interesse. Wenn es bis jetzt „ohne“ ging, entsteht kein Bedarf aufgrund eines Preisnachlasses.
Bevorratungskäufe der Art „wird eh´ demnächst fällig“ erweisen sich oft als Fehlentscheidung. Denn bis es fällig wird, führen die Gesetze des Marktes dazu, dass nachdrängende Neuprodukte den normalen Preis des „Schnäppchens“ weiter nach unten drücken. Ich habe wenn es soweit ist also die Wahl zwischen dem jetzt wirklich günstigen Schnäppchen oder dem mittlerweile verfügbaren Nachfolger, der sich preislich häufig in der Region des „Cyber-Preises“ bewegt, der mich unbewegt ließ.
Als kostenlose Dreingabe beginnt die Gewährleistung mit der Nutzung des Gegenstandes, während bei Bevorratungskäufen diese schon abgelaufen oder der Händler zwischenzeitlich insolvent ist. Womöglich wegen der Schnäppchen. Bei allem Verständnis für den Sparwunsch der Käufer verlangt nämlich ein weiteres Marktgesetz, das am Ende für jeden in der Kette etwas hängen bleiben muss.
„Um jeden Preis billig kaufen“ kann bei genauerer Betrachtung langfristig sehr teuer werden. Der Händler vor Ort verkommt oft zum Bereitsteller für die Begutachtung von etwas, dass dann anderswo „billiger“ gekauft wird. Wenn er dann schließt, war er ja selbst schuld. War ja alles viel zu teuer. Dass er eine wirklich tolle Beratung geleistet und sich Zeit genommen hat, ein breites Sortiment vorhielt, hohe Miete für die gute Erreichbarkeit im Ort, Gewerbesteuer, Gehälter und weitere Kosten tragen musste und jahrelang einer der Sponsor des Christbaums vom Weihnachtsmarkt war, wird dabei meist ignoriert. Wenn kein Weihnachtsbaum mehr glitzert, finden die Sparfüchse zu allem Überfluss auch noch den Markt Scheiße. Eine, die sie sich selbst eingebrockt haben, wenn es immer um den letzten Cent beim Einkaufen geht.
Der Händler mit dem „besten Preis“ hat immer nur Sonderangebote, die er selbst billig geschossen hat und rausramschen muss. Wenn was kaputt geht, ist fragen sinnlos, denn er hat selten Ahnung von dem Zeug, dass er verkauft. Derjenige, der Sachverstand hatte ist jetzt allerdings aufgrund dieses Preis-Dumpings platt. Zu wenige waren bereit, für seine Kompetenz eventuell ein bisschen mehr zu bezahlen. Und die Cyber-Sales sind irgendwie auch schlechter als letztes Jahr, als noch mit mehr lokalen Händlern konkurriert werden musste.
Support Your Local Dealers!
Jeder will für seine Arbeit bezahlt werden. Deshalb finde ich es völlig in Ordnung, wenn es vor Ort weniger Schnapper als bei den Online-Händlern gibt. Dafür bekomme ich persönliche Beratung und Service. Das meist sehr ordentlich, denn jedem Händler graust davor, dass ich bei ihm im Laden herum zetere, was er mir für einen Schrott verkauft hat. Da ist keine Warteschleife in die er mich schicken kann wie der ahnungslose Ansprechpartner im Call-Center. Das findet „Auge in Auge“ statt und weil man sich mal auf der Straße treffen könnte, mit Stil und gegenseitigem Interesse an einer für alle fairen Lösung.
Außerdem muss ich keine Bestellung aufgeben und darauf warten, sondern nehme das Teil einfach mit. Vor Ort kann ich vielleicht sogar ein bisschen handeln. Oder mir mein Wunschgerät zu Konditionen bestellen, die durchaus konkurrenzfähig sind. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass mein Geld hier bleibt und ich damit meinen Beitrag für den Weihnachtsmarkt-Baum leiste. Oder die neue Kinderrutsche auf dem Spielplatz, oder, oder, oder. Das ist das wahre Schnäppchen.
Das Bild ist von pixabayMein (kleiner Zusatz-) Beitrag zur Unterstützung lokaler Anbieter ist das Portal „Birken-wer?der!, das ich als Plattform für Handel und Gewerbe meiner Heimat-Gemeinde ins Leben gerufen habe. Eben darum.