Warum so aufwändig?
Mit „Bike Flash“ sollen Radfahrer sicher über die Straße kommen. Doch es geht viel günstiger und unkomplizierter. (Aktualisiert)
In verschiedenen Medien wurde am vergangenen Wochenende über die technische Lösung „Bike Flash“ berichtet, mit der Radfahrer vor dem Tod durch rechts abbiegende LKW geschützt werden sollen. Dafür erfasst ein Wärmesensor heranfahrende Radfahrer und aktiviert unter bestimmten Voraussetzungen eine Lightshow. Die ist in einem Metallgestell eingebaut, das die Lampen auf verschiedenen Höhen durch die Beifahrer-Fenster von Kraftfahrzeugen strahlen lässt. Der so geblendete Fahrzeugführer soll dann auf die Bremse steigen, damit der Radfahrer gefahrlos sein Vorfahrtsrecht durchsetzen kann.Diese High-Tech-Lösung kostet pro Installation um die 34.000 €. Stückpreis. Für die Vollausstattung einer Kreuzung werden vier Stück benötigt. Sind dann mal eben 136.000 € pro Kreuzung. Betriebs- und Wartungskosten ignoriere ich mal weg.
Dabei gibt es doch technisch einfachere Lösungen, die aufgrund niedrigerer Kosten eine flächendeckendere Ausstattung ermöglichen würden. Diese Lösung wird kostenbedingt der Spur der Toten folgen. Immer wenn einer überfahren wurde, kommt da eine solche Säule hin, damit der Volkszorn mit Aktivismus befriedet wird. Dass die Teile mutmaßlich immer an der falschen Stelle stehen (werden), signalisiert bereits der zitierte Text von RTL.
- Was spricht gegen Warnschilder für die Radfahrer, ggf. dem LKW nachzugeben und mehr Wert auf das eigene Leben denn die eigene Vorfahrt zu legen (siehe oben)?
- Wäre eine intelligentere Ampelschaltung eventuell viel einfacher realisierbar? Zeitgleich alle Fußgänger und Radfahrer über die Kreuzung lassen und dann die Kraftfahrzeuge?
Nennt sich Diagonalqueren und wird sogar von der Unfallforschung als Lösungsansatz für „Kreuzungen mit aufflälligem Unfallgeschene“ vom GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.) emfohlen.
- Was ist mit dem guten alten Verkehrsspiegel an den Kreuzugen, mit dem Kraftfahrer den toten Winkel behelfsweise ausleuchten könnten? Die sind im Vergleich erheblich preiswerter. Für eine Blinksäule gäbe es selbst in der Top-Ausstattung ca. 34 Spiegel. Das sind dann mal eben acht Kreuzungen komplett – statt einer Rechtsabbieger-Beblinkung.
Persönlich sehe ich ein ganz großes Problem bei der High-Tech-Lösung: wir Menschen glauben High-Tech aus Bequemlichkeit gern bedingungslos. Am Himmel aufziehenden Regenwolken werden ausgeblendet, wir glauben der Wetter-App, die Sonnenschein verspricht. Deshalb bedeutet „Lampen aus“, dass kein Radfahrer kommt, der LKW fährt. Woher soll der Fahrer wissen, dass gerade ein Stromausfall oder Software-Fehler die Anzeige blockiert. Da ist er dann doch wieder selbst schuld, denn der Anbieter wird für solche Fälle sicher eine Ausschlussklausel in den Verkaufsunterlagen haben.
Weil trotz Automat der Fahrer letztendlich in der Verantwortung steht, darf es aus meiner Sicht nur Lösungen im Straßenverkehr geben, die eine zweifelsfreie, eigene Prüfung zulassen.
Wenn dann alle noch ein bisschen mehr an die Grundregeln im Straßenverkehr denken und das mögliche Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer in die eigenen Überlegungen einbeziehen, werden Spiegel, andere Ampelschaltungen oder schlicht „mitdenken und nachgeben“ erheblich günstiger und Leben-rettender sein, als ein einsamer „Bike Flash“.
Nachtrag
28.11.2018In der Vanity-Fair wurde unter Titel „The Human Factor“ 2014 aus einem Flugzeugabsturz 2009 die Schlussfolgerung gezogen, dass auf Fehler von Menschen mit Automation reagiert werde, die den Menschen immer mehr in der Beherrschung und Verständnis für dieser Automation beschränke, was weitere Automation notwendig mache. Sprich: Automaten steuern Automaten und der Mensch schaut immer hilfloser zu:
„It seems that we are locked into a spiral in which poor human performance begets automation, which worsens human performance, which begets increasing automation.“1 Aus Vanity-Fair 10/2014
Den Artikel habe ich erst heute gefunden, meine Folgerung haben demnach vor mir schon andere gezogen.