CO₂ HyperaktionismusAlleDas E-Auto wird am Strom schei…

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Das Klima-Päckchen

Erstellt: 23.09.2019 Lesedauer 7 - 8 Min.

Der „große Wurf“ der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz wirk auf mich wie ein fallengelassene, heiße Kartoffel.

Vorweg: Die »Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030« stellen lediglich eine Absichtserklärung dar. Weil die schon keinen Anlass für Sekt bietet, dürfte zur tatsächlichen Umsetzung in Gesetze abgestandenes Mineralwasser ohne Kohlensäure passen.

Zeichenerklärung: „⚙“=„Maßnahme Nr.“ aus dem „Klimaschutzprogramm 2030“

🔍 Aufhalten kaum noch möglich
Ich habe mir das Geschwurbel durchgelesen. Nach Abzug des darin enthaltene Phatos und der Allgemeinplätze zur Aufblähung auf überwiegend mit breitem bis sehr breitem Rand bedruckten 22 Seiten bleibt gerade mal so viel Inhalt, dass er sich auf einer Petrischale noch erahnen läßt und zumindest als Versuchsaufbau durchgeht.

Mit ⚙1 Preisschildern am CO2, die 2021 kommen (sollen), wird ⚙2, Senkung der Stromkosten, gegenfinanziert. Nimmt der CO2-Ausstoß ab, was den Lippenbekenntnissen zufolge Ziel der Eckpunkte sein soll, bricht diese Gegenfinanzierung zusammen.

Die Anhebung der Pendlerpauschale aus ⚙3 ab dem 21sten Kilometer ist befristet, weil es ab dem 31.12.2026 »Ladeinfrastruktur und Fahrzeuge« für die ländlichen Regionen gibt. Glaubt die Bundesregierung. Die glaubte 2011 auch, dass 2020 in Deutschland eine Millionen Elektroautos fahren.

Auch viele Pendler mit gutem öffentlichen Nahverkehr werden von der höheren Pendler-Pauschale profitieren. In Großstädten wird das den Verkehrskollaps vorantreiben, wenn die Preisgestaltung des ÖPNV keine grundlegende Überarbeitung erfährt oder eine Tageskarte Parken billiger als eine Tageskarte S-Bahn ist.

Die Anhebung des Wohngeldes und „Prüfung“, ob die CO2-Umlage begrenzt werden könne (⚙4), ignoriert, dass eine schlichte Mietpreis-Erhöhung den Vermieter aus der Pflicht nimmt und die Wohnungsnot Mieterflucht verhindert. Wenn Vermieten unwirtschaftlich wird, ist „kündigen und leer stehen lassen“ eine Option, die Bund und Länder selbst praktizieren.

Der erhoffte „Anreiz für Mieter“ wird die Suche nach wärmender Kleidung für zu Hause sein. Für einen Vermieter gibt es keinen Anreiz für Investitionen, weil die Aufwandskosten in keinem Verhältnis zu seinen Erträgen liegen.

⚙5 ist keine „Maßnahme“, weil bei den Transferleistungen bereits Energie-Kosten eingepreist sind.

Die „sektorbezogenen Maßnahmen“ setzen in ⚙6 auf steuerliche Anreize und Förderungen. Wer sich schon mal mit „Förderung“ auseinandergesetzt hat, kennt womöglich den interessanten Effekt, dass die nur fließt, wenn mit bestimmten Unternehmen zusammengearbeitet wird. Die sind – woran das wohl liegt? – etwa um den Betrag teurer, als Unternehmen, die eine vergleichbare Leistung ohne Förderung anbieten. Dafür ohne Papierkrieg und dem Risiko, dass sich Konditionen im Rahmen der Förderung ändern können, was bis zum Schluss die Förderung und damit die Gegenfinanzierung der Mehrkosten kippen kann.

Mit der »Energieberatung und Öffentlichkeitsarbeit« aus ⚙11 wird das „reden wir mal drüber“ dem „machen wir mal was“ vorgezogen. Die „Vorbildfunktion Bundesgebäude“ (⚙12) öffnet offiziell die Töpfe für die schon seit Jahrzehnten überfälligen Sanierung öffentlicher Gebäude.

Mit der »Weiterentwicklung energetischer Standards« (⚙13) wird mutmaßlich die mit Vorstandsposten für Politiker und gut platzierten Lobbyisten betriebene Klientel-Politik weiter praktiziert, bei der statt dem erreichten Ergebnis bestimmte Maßnahmen gefördert werden. Also das Baugewerbe und selektive Techniken.

Mit „mehr Ladesäulen“ soll die Elektromobilität gefördert werden (⚙14). Die Frage, wer den Stau auflöst oder die Eingeschlossenen wenigstens mit heißen Getränken versorgt, wenn E-Autos im Winterstau die Puste ausgeht, bleibt weiterhin unbeantwortet. Wobei das aktuell noch mit „wegschieben“ und „trampen“ erledigt werden kann. Hochgerechnet auf die oben erwähnten ursprünglichen Planungen wird es noch Dekaden dauern, bis E-Mobilität – wenn überhaupt – Relevanz entwickelt bzw. entwickeln kann.

Dass aktuell und auf absehbare Zeit die Ladedauer der Knackpunkt ist und „Schnelllader“ neben dem dramatisch höheren Akku-Verschleiß auch dramatisch höhere Infrastrukturanforderungen (→„Erdarbeiten“) darstellt, geht irgendwie unter…

Immerhin kann ein Tankstellenbetreiber mit dem Aufstellen einer Ladesäule CO2-Zertifikatskosten reduzieren. Wobei der sich ausrechnen wird, wie viele zeitgleich bei im Strom bzw. „Sprit“ tanken können. Da muss schon ziemlich viel für die »Dekar­bo­ni­sierungs­maß­nahme« rum kommen, damit sich der Verzicht auf eine einzige Tanksäule (für Sprit natürlich…) lohnt.

Weil »die weitaus meisten Ladevorgänge zuhause« erfolgen, soll dort die Infrastruktur gefördert werden. „Mehr rausziehen“ wird demnach unterstützt, während „reinstecken“ mit Solarenergie zunehmend wegen angeblicher oder tatsächlicher Leitungs­überlas­tungen scheitert. Was niemand ändern will, mir allerdings das physikalische Phänomen unklar ist, seit wann Wechselstrom im Kabel in eine Richtung mehr Leistung haben kann als in die andere.

Es wird auffällig auf E-Mobilität fokussiert. Wirkungsvollere Alternativen, z.B. reaktivieren eines bis in die 1970er funktionierenden Nahverkehrs, ist im „Paket“ bemerkenswert nachrangig. Das würde u.a. die Innenstädte erheblich entlasten und das Energieproblem für das Bewegen von meist deutlich über einer Tonne „Transport-Umverpackung“ der Individual-Fahrer effizienter gestalten und signifikant CO2-reduzieren.

In ⚙15 wird fabuliert, dass bis 2030 »10 Mio.-Elektrofahrzeuge zugelassen« sein sollen. Bei der bisherigen Reali­sierungs­quote dieser „Ansagen“ wären es dann knapp die eine Million, die wir – gemäß Prognose 2011 – in 2020 haben sollten.

Mit der Förderung »fortschrittlicher Biokraftstoffe« (⚙16) wird der „Verbrenner-Lobby“ offenbar ein Türchen für V8-Motoren mit Status-gebender PS-Leistung offen gehalten. Als „Müllverbrenner“ sind sie dann – so lässt sich das lesen – sogar gut für die Umwelt.

Mit ⚙17 soll dann endlich eine »Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV« gefördert werden. Ab 2021. Denn „gut Ding will Weile haben“. Ab 2025 wird das sogar verdoppelt. Bis 2030 soll sich tatsächlich die »Attraktivität des Schinenpersonenverkehrs« durch Investitionen erhöhen (⚙19). Die Zahl »86 Mrd. €« klingt toll – wieviel davon muss die Bahn an den Bund als „Dividende“ zurück zahlen?

Weil natürlich wieder mehr Güter auf die Schiene sollen (⚙20), werden die sich mit den Personenzügen auf den wenigen Schienen um Nutzungszeiten prügeln – was für beide, Güter und Menschen, vorhersehbar alles, außer attraktivitäts­steigernd sein wird. Denn digitale Technik zur Kontrolle der »Eng­pass­korridore« ändern kaum etwas an dem Umstand, dass auf einem eingleisigen Abschnitt mit Tempolimit wegen Baufälligkeit alle aus der anderen Richtung erst mal warten müssen, bis der Gegenzug durch ist. Da werden es die jährlichen Milliarden (⚙21) an »Kapitalerhöhung DB« kaum herausreißen.

Mit dem »Ausbau von Radschnellwegen und Radwegen an Bundesstraßen« (⚙18) soll die Attraktivität der Radnutzung erhöht werden. Zumindest an Bundesstraßen. Wobei die erst einmal noch auf die »CO2-armen LKW« warten müssen (⚙22). Die werden nämlich erst 2030 zu einem Drittel rollen – glaubt die Regierung. Bis dahin rollen weiter Dieseltrucks, die ihre Abgase in die Landschaft hauen. Demnächst atmen die an Bundesstraßen die Radfahrer weg.

Die Binnenschiffart (⚙23) freut sich über Ladestrom – in Häfen. Zwischen Be- und Endladen können sie natürlich weiter ihre Schweröle verheizen. »Auf Dauer wird auch hier Ordnungsrecht greifen müssen«, doch die Dauer ist undefiniert. Ebenso unbefristet ist das Engagement für die (⚙24) Brennstoffzelle, für deren Befüllung keine Infrastruktur geplant ist, was die Erfolgsaussichten definiert.

Die »Digitalisierung der Mobilität« (⚙25) ist „bla“, denn das ist eigentlich eine andere Baustelle, die mindestens genauso brach liegt. Da klingt die »Konsequent CO2-bezogene Reform der Kfz-Steuer« (⚙26) schon richtig themenbezogen, mit »Emission pro km« sogar tonnage-unabhängig. Wobei das Wort „hauptsächlich“ einen großen Gestaltungsspielraum eröffnet.

»Bahnfahen billiger, Fliegen teurer« (⚙27) klingt gut, ist allerdings Käse. Denn Bahnfahren wird nur im Fernverkehr günstiger, wobei es sich dabei um eine Absenkung der Mehrwertsteuer handelt. ÖPNV-Pendler zahlen weiterhin 19%, ICE-Fahrer bekommen Rabatt und die Bahn neuen Spielraum für Preiserhöhungen. Ob der Inlandsflug von Berlin nach München 39 € oder 59 € kostet, ist relativ wurscht, denn es wird weiterhin noch deutlich billiger und vor allem verlässlicher/schneller sein als mit der Bahn.

Die »Modellprojekte für ÖPNV-Jahrestickets« (⚙28) offenbaren die Ahnungslosigkeit der Beteiligten. Die gibt es schon seit es Pendler gibt. Dass da jetzt über »365 Euro Jahrestickets« fabuliert wird, dürfte daran scheitern, dass sich damit die Betriebseinnahmen auf Dekaden diametral zu den erforderlichen infrastruktuellen Maßnahmen bewegen. Was beim Blick in die Kassen der Betreiber einem „definitiv NEIN“ gleichkommt.

Ab ⚙29 geht es in die Land- und Forstwirschaft. Also den Teil, der wirklich überwältigend viele betrifft. Zumindest bezogen auf die Fläche. Das sind überwiegend Allgemeinplätze ohne terminliche Fixierungen, an vielen Stellen die Wiederholung von EU-Vorgaben, die mehr oder weniger sowieso anstehen. Wie sich die »Vermeidung von Lebensmittelabfällen« (⚙38) dort hineinverirren konnte, ist unklar. Wer sich an die Diskussion um die Verbrausmittelentwendung erinnert, erkennt die klare Unterscheidung zwischen „Überschüsse verbrauchen“ und „Überschüsse vermeiden“. Letzteres reduziert die Bestände der Tafeln, die eh schon Versorgungsprobleme haben.

Natürlich muss ab ⚙40 auch die Industrie ran. Da wird investiert, gefördert und ausgeschrieben. Und natürlich werden neue Mindeststandards gesetzt. Die gelten – bisher zumindest – allerdings immer nur für Neubauten. Alte Anlagen und Techniken haben großzügige Übergangsfristen. Selbstverständlich sollen die Maßnahmen der Industrie keine Umsätze kosten, deshalb müssen sie alternative Wertschöpfungsketten wie (⚙46) »zukunftsfähigen Batteriezellenfarbirken« den Boden bereiten. Etwa so, wie das Erfolgsmodell „deutsche Solarbranche“, bei dem ordentlich Kohle verbrannt wurde und letztendlich weit mehr Arbeitsplätze kommentarlos vernichtet wurden, als sie in der Lausitz symbolträchtig noch bis 2038 (⚙47) subventioniert werden.

Die erneuerbaren Energien (⚙48) sollen bis 2030 einen Anteil von 65% haben. Deshalb werden Anträge für Windkrafträder oder Genehmigungen für Solaranlagen auch so schleppend bearbeitet, oder deren Errichtung durch Auflagen weitestgehend unattraktiv gemacht. Zwar soll der »Letztverbraucherstatus« Nutzern von Stromspeicherern (z.B. für Photovoltaik-Strom) bisher fällige Umlagen ersparen („⚙50“). Wie das genau aussieht, und ob die perverse Regelung wegfällt, dass für selbst erzeugten Strom eine Gebühr bezahlt werden muss, bleibt unklar.

Ab dann kommen „man müsste, sollte, könnte“-Aussagen, wenn datiert, „bis 2030“ – also noch reichlich Zeit. Alles wunderbar unkonkret, Pudding an die Wand nageln dürfte leichter fallen.

Besonders perfide ist die systematische Tarnung der „linke Tasche → rechte Tasche“-Strategie. Denn wenn von „Entlastungen“ die Rede ist, gilt die vor allem für den Bund. Was dem Bürger auf der einen Seite „geschenkt“ wird, wurde ihm vorher auf der anderen Seite ordentlich aus der Tasche gezogen. Der ein oder andere Cent wird dabei vorhersehbar im Staatsäckel hängen bleiben – ein bisschen Schwund ist halt immer.

Kurzum: Das Ganze ist ein riesengroßer Furz. Macht ordentlich Lärm, danach stinkt es nur noch.

Die Frage, wo der ganze zusätzliche Strom herkommen soll, den die Strategie als „kommt aus der Dose“ annimmt, wenn der vorhandene Bedarf gerade mal zu 65% bis 2030 aus „Erneuerbarem“ gedeckt werden soll, fällt in dem Pamphlet einfach unter den Tisch.

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