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Die Bahn kommt

Erstellt: 09.05.2019 Lesedauer 2 - 3 Min.

Weil Herrn Scheuer bei den Elektro-Rollern der Wind hart ins Gesicht bläst, hat er ein neues Elektromobil für sich entdeckt. Die Bahn.

🔍 Auch eine Bahn-Alternative: „Unwichtige“ Trassen für Fußgänger freigeben.
In den Stuttgarter Nachrichten outet sich der bisher eher als Autoliebhaber aufgefallene Minister als vermeintlicher Bahn-Fan. In dieser Funktion trumpft er nun mit einem weiteren Husarenstück auf. Die Bahn soll im S-Bahn-Takt Großstädte verbinden. Damit kein Missverständnis für die Landbevölkerung entsteht, bei der sich die Frequenz des öffentlichen Nahverkehrs sehr präzise mit dem Stundenzeiger ermitteln lässt, schwadroniert er von halbstündlichen Verbindungen auf den wichtigsten Strecken.

Womit er seine Hintertür verraten hat, durch die er aus der Nummer heraus kommt. Denn die Definition für „wichtige Strecke“ bleibt er schuldig. Bekommt dann beispielsweise Magdeburg – immerhin Hauptstadt von Sachsen-Anhalt – endlich einen erwähnenswerten ICE-Anschluss oder wird das Bisschen was da ist zugunsten der „wichtigen Strecken“ auch noch weg gekürzt? Was passiert mit den übrigen, dann wohl noch unwichtigeren Strecken generell? Fährt dann überhaupt noch was auf Schienen zwischen Städten kleiner Berlin, Hamburg oder München?

Wie das mit 30 Minuten-Takt funktionieren soll, bei den meist 15-minütigen ICE-Haltezeiten an „wichtigen“ Bahnhöfen oder auf Strecken, die aus Sicherheitsgründen nur mit S-Bahn-Tempo befahren werden können, bleibt ebenso im Dunkeln. Wobei sich dahinter womöglich schon die Antwort verbirgt. Er hat ja ebenso wenig erwähnt, ob die ICE-Züge die Strecken schnell und von Anfang bis Ende befahren. Vielleicht will er nur genügend Züge auf die Schiene setzen, damit der Fußweg zwischen den Großstädten voll überdacht und beleuchtet ist. Die pendeln dann zwischen zwei Bahnhöfen wie eine Laola-Welle hin und her. Die Aussage „alle 30 Minuten“ wäre damit jedenfalls problemlos erfüllbar.

Das lässt sich sogar mit dem maroden, von der Verkehrspolitik jahrzehntelang systematisch abgewirtschafteten Streckennetz hin bekommen. Jedenfalls auf den Strecken, auf denen überhaupt noch Schienen liegen. Für „die wichtigsten Strecken“ werden dann einfach Schienen da abgebaut, wo die Bahn dann keine Verwendung mehr dafür hat. Denn wozu braucht man Schienen zu „unwichtigen“ Städten?

Damit rückt der Herr Minister vom Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes ab. Da gibt es keine Einteilung in „die Wichtigen und der große Rest“. Allerdings ist jedem, der weiß wie viele Finger eine Hand hat klar, dass es hier lediglich um ein weiteres Verbalprojekt unseres Ministers handelt. Spätestens bei den gesteckten Terminen. Wenn eine ICE-Trasse zwischen Berlin und München rund 30 Jahre Bauzeit erfordert, lässt sich grob interpolieren, wie lange bereits die Errichtung ein sehr grobmaschiges „S-Ban-Netz“ zwischen ein paar Großstädten in Deutschland dauern dürfte.

Vielleicht sollte irgendwer dem Herrn Minister mal den Tipp geben, dass er bereits eine riesige Fan-Base aufbauen könnte wenn er einfach dafür sorgt, dass die heute von der Bahn gegebenen Versprechen – z.B. „kommt um 10:00 Uhr“ einfach gehalten werden. Denn aktuell muss das „Zug kommt ab 10:00 Uhr“ gelesen werden. Wenn er überhaupt kommt.

Sehr wirkungsvoll und applauswürdig wären attraktive Preise für die S-Bahnen zu den (vermeintlich) wichtigen Strecken. Auf denen gäbe es auch keine Rammeleien bei höherer Taktung. Vielmehr könnte ein großer Teil der Bevölkerung die Bahn dann sogar wieder ernsthaft in die Tagesplanung einbeziehen. Dass es einen durchaus signifikanten Bedarf auf vermeintlich „unwichtigen“ Strecken gibt, lassen die Angebote der privaten Fernbusse vermuten. Die fahren da nur, weil sich was damit verdienen lässt. Selbst mit sehr attraktiven Beförderungsgebühren.

In den Orten am Ende der „wichtigen“ Strecken würde das womöglich zu deutlich weniger Individualverkehr und damit Feinstaub führen, sprich: ein weiteres Problem lösen. Wobei für die hehren Pläne vorher noch ein viel kritischeres Problem gelöst werden müsste: dafür fehlt das Geld. Womit im Grunde schon die Pressekonferenz zum Thema eine Zeitverschwendung war.

Zuerst sollte das Vertrauen wiedergewonnen werden, dass die Bahn überhaupt kommt. Das wird uns zwar seit Jahren von großformatigen Plakatwänden versprochen, doch hat das was von Kamasutra. Da ist erklärtes Ziel, das Kommen lange hinaus zu zögern oder gar zu unterdrücken.

Das Bild stammt von Pixabay.