Die Macht der Gewohnheit
Der „tägliche Trott“ hat zur Folge, dass wir selbst im Halbschlaf recht souverän Dinge erledigen, ohne uns gleich umzubringen. Doch er kann gleichermaßen genau dazu führen.
Die sogenannten »Annotationen«, trivialer »Kommentare« in Programmtexten, halte ich persönlich für überlebenswichtig. So mancher Programm-Code-Schnipsel erweist sich nach wenigen Tagen, manchmal sogar schon nach wenigen Stunden, als geheimnisvolle Magie, deren Zauber ohne einen Hinweis nur aufwändig wieder gelüftet werden kann. Guter Quellcode spiegelt zwar typischerweise selbstredend seinen Zweck, doch bei komplexeren Programmen, oder schlicht zum Ausprobieren von Alternativen, sind Kommentare – zumindest für mich – wichtiges Handwerkszeug.Das Dilemma des Programm-Code-Kommentierens ist die babylonische Vielfalt der einzusetzenden Zeichen. Während bei Delphi alles hinter //
ein Kommentar ist, generieren anderen Sprachen im besseren Fall eine Fehlermeldung. Andere versuchen sich an Interpretation, was stundenlange Fehlersuche nach sich ziehen kann – wer erwartet denn, dass ein Kommentar die Wurzel allen Übels ist.
Zumindest habe ich mich damit gestern solide selbst ausgetrickst. Nachdem ich mehrere Tage in Delphi programmiert hatte, wollte ich mal fix eine Extension für Yellow schreiben, in der ein bisschen CSS generiert werden soll. Für das Entwickeln waren daher drei Sprachwelten zu bedenken: Das für Yellow erforderliche PHP, das zu generierende HTML und CSS. Die Sprachen sind teilweise inzestuös verwandt und verschwägert, doch sie haben ihren ganz persönlichen Eigenheiten.
Der gewünschte Code war schnell geschrieben, erzeugte jedoch sehr bizarre Ergebnisse. Denn die verwendeten Browser, die eigentlich zur Erfolgskontrolle herangezogen wurden, stellten meine sicher geglaubten Kenntnisse der HTML- und CSS-Codierung auf den Kopf. Was allein daran lag, dass ich nachlässigerweise statt des in diesem Fall – für CSS – erforderlichen /* Kommentarbereichs */
auf das gerade tagelang verwende //
vertraute. Der Trott machte mich zum Trottel.
Im Nachgang betrachtet ist bemerkenswert, dass ich zwar schnell die fehlerhaften Zeilen eingegrenzt hatte. Doch statt über das seit Tagen vertraute //
nachzudenken, zweifelte ich lieber an der Richtigkeit des umgebenden Codes und plagte mich mit Selbstzweifeln. Wegen zweier blöden Schrägstriche.
Was mir – mal wieder – sehr eindringliche nahegelegt hat, dass es sich unbedingt lohnt, auch vertraute Situationen stets neu zu betrachten. Andernfalls flutschen unbemerkt Details durch, die mal mehr, mal weniger wichtig sein können. Denn der brandige Geruch nach dem Aufstehen kann zwar der Nachbar sein, der wieder Müll im Kamin verbrennt. Ebensogut kann es jedoch auch der Kurzschluss in der Kaffeemaschine sein, die mich umbringen wird, wenn ich auf den metallenen Knopf für die morgentliche „Hallo wach“-Tasse drü↯
So schnell kann's gehen. Ich will mich wieder mehr an den kleinen Jungen in mir erinnern, der viel aufmerksamer war als ich es als Erwachsener im Trott bin.
Epilog
Bei Wikipedia ist die Vielfalt der Kommentar-Symbolik in einer erschreckend langen Liste dokumentiert. Wobei das in gewisser Weise die enorme Bandbreite zwischenmenschlicher Feinheiten beschreibt. Was der eine lediglich als beiläufigen Kommentar anmerkt, ist für zufällig Anwesende eine persönliche Beleidigung. Das kann Arbeitsverhältnisse beenden, Ehen zerstören, Freunde zu Feinden machen. Deshalb ist „Nachfragen aus der eigenen Wahrnehmung“ wichtig. Das kann bisher gute und erfolgreiche Beziehungen, retten, erhalten und stärken.
Das Bild stammt von Pixabay.