Sind wir gut?
Ich hatte die Wahl zwischen „Gut, ich bin sehr zufrieden“ und „Schlecht, ich bin gar nicht zufrieden“. Das machte mich unzufrieden.
Speziell Online-Versender nutzen Ticket-Systeme für die Auftragsbearbeitung. Diese Programme bieten die Möglichkeit automatisierter Prozesse.Zunehmend gehört eine abschließende Frage dazu, wie denn die ursprüngliche Frage vom Mitarbeiter beantwortet wurde. Weil das erheben von Erfolgsfaktoren in Prosa kaum auswertbar ist, wird das auf digital verarbeitbare Möglichkeiten herunter gebrochen. Diese zwei extremen Formulierungen fand ich außerordentlich binär.
Die angebotenen Optionen waren als Link in ein Formular ausgelegt. In beiden Fällen das Gleiche, es waren lediglich abhängig von meiner Wahl die Schalter
Good, I'm satisfied
oder
Bad, I'm unsatisfied
vorausgewählt.
Abgesehen von meiner ursprünglichen Frage und der am oberen Rand eingetragenen Kategorie, unter der ich die Frage gestellt hatte, war der gesamte Dialog auf Englisch gehalten. Oben rechts zeigte ein kleines Bild einen Strauß Blumen, daneben Stand (auf Englisch) „zugewiesener Agent“ und sein Frauenname. Es muss ein verheirateter Blumenstrauß sein, wie sonst kommt er zu einem Nachnamen?
Ursprünglich hatte ich gefragt, ob es auf einer Webseite die Möglichkeit gäbe, eine Auswahl zu beschränken. Als Antwort kam die Aussage, dass dies aktuell unmöglich sei, die „Anregung“ jedoch an den „Country Manager für Deutschland“ weiter gegeben würde.
Jetzt lautete die Frage im Formular How would you rate the support you received?
Da musste ich notgedrungen „Bad, …“ wählen. Beginnend bei einer ungenauen Übersetzung der Schalter im Formular, die statt „sehr“ bzw. „gar nicht“ lediglich eine deutlich abgeschwächte Reaktion anboten, kann ich auf Grundlage der Antwort kaum den Kundenservice bewerten. Sie (der weibliche Blumenstrauß) hat „aktuell noch nicht möglich“ gesagt und dass sie es weiter leitet. Damit steht die abschließende Antwort noch aus, denn vielleicht geht es ja demnächst. Doch das bleibt unklar. So gesehen hatte ich keine, was sich aufgrund der Beschränkung nur mit „schlecht“ bewerten lässt.
Die Weiterleitung meiner „Anregung“ an den „Country Manager für Deutschland“ erzeugte ein pelziges Gefühl auf meiner Zunge. Dieser Kauderwelsch für „Regionalleiter Deutschland“ bzw. „Country Manager Germany“ ließ sie anschwellen. Dazu ein englischsprachiges Formular und einem Blumenstrauß mit Namen als zuständige Mitarbeiterin. Das zog weitere Fragen nach sich:
- Wenn der überhaupt was versteht: in welcher Sprache spreche ich am besten mit einem Blumenstrauß? In Anlehnung an die Formularsprache entschied ich mich für Englisch. Doch:
- Wie bescheuert ist es, wenn ich in einer Fremdsprache mit einem Blumenstrauß spreche?
Ich kenne natürlich den Spruch Lass Blumen sprechen. Das war jetzt die erste, die das getan hat. Sie kann außerdem schreiben, ist Team-Mitglied bei einem Versand und hat sogar eine eigene Telefonnummer.
Ich sah mich gezwungen, auf diese Absurditäten hinzuweisen. Denn wer Kunden „sehr zufrieden“ machen will, sollte auch die Nachfrage zur Zufriedenheit Kundengerecht gestalten. Vermutlich hat in diesem Unternehmen vor lauter Denglisch niemand gemerkt, was den Kunden mit diesem Formular zugemutet wird. Diese werden sich das wahlweise zumuten lassen oder einfach weg klicken. Speziell wenn das Schulenglisch – soweit es das überhaupt gab – derart eingestaubt ist, dass die englischsprachige Support-Seite reflexartig geschlossen wird.
Auf diesem Hintergrund bekam die zu bewertende Antwort plötzlich eine völlig neue Dimension. Die war durchaus so gehalten, dass sie von Grünzeug geschrieben sein könnte. In diesem Fall ein mit verschiedenen Textbausteinen gefüllter Automat, der auf Grundlage von ein paar Schlüsselworten Antworten raushaut.
Der Gedanke an diese Variante machte mich „sehr unzufrieden“. Dass mir möglicherweise ein ehrliches Interesse an meiner Meinung lediglich vorgegaukelt wurde, fand ich bedenklich. Wenn schon automatisch, dann besser „Wurde Ihre Anfrage beantwortet, können wir den Vorgang schließen?“ ( Ja/Nein, optional Text), wie ich das von IT-Ticketsystemen wie z.B. OTRS kenne. Da passen die binären Antwortmöglichkeiten, denn „ja“ schließt den Vorgang, „nein“ erfordert weitere Aufmerksamkeit. Vorzugsweise von einem echten Menschen.
Das ist gut.
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