Das Wissens-ParadoxonAlleWenn Worten keine Taten folgen

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Wenn aus Recht Unrecht wird

Erstellt: 01.07.2019 Lesedauer 3 - 4 Min.

Seenotrettung ist was völlig anderes als Gassi-Gehen mit dem Hund. Könnte man meinen. Im Kern ist es jedoch das Gleiche für davon Betroffene.

🔍 Menschen retten ist kein Verbrechen.
Ist wohl fast Jedem schon mal passiert. Der Auftritt ist weich, es fängt an zu müffeln und dann hängt sie dir sprichwörtlich zähl am Schuh: die Hundescheiße, die der Hundebesitzer einfach liegen ließ. Der mag seinen Hund, doch um die Folgen sollen sich andere kümmern.

Dass das Tier mal müssen können muss, werden höchstens Hundehasser in Abrede stellen. Doch dazu können selbst Tier-liebenste Menschen werden, wenn Hunde das ständig vor der Haustür tun. Wobei das sogar tolerabel ist, wenn Frauchen oder Herrchen das Ergebnis guter Fütterung ordnungsgemäß beseitigen.

Glücklicherweise klappt das bei Vielen vorbildlich. Sie wollen ihren Hund, sie wollen keinen Ärger. Weil es sie selbst diskreditiert, verärgern auch sie diejenigen, die gegen diese Regeln verstoßen. Denen sogar hohe Strafen (scheiß)egal sind.

Wenn eine Frau Rakete Menschen rettet und in einen Hafen bringt, für den ihr im übertragenen Sinne unmissverständlich gesagt wurde, „scheiß' woanders hin“, ist das durchaus vergleichbar. Natürlich ist die selbstlose Rettung von Menschen vor dem Ertrinken edel und gut. Dafür gebührt ihr Anerkennung, Unterstützung und höchster Respekt. Sie muss sich jedoch der damit einhergehenden Verantwortung klar sein.

Sie wusste doch schon vorher, dass Italien aufgrund der geographischen Lage eines der primär betroffenen Länder der Flüchtlingsströme ist. Die schrumpfende Fanbase für Flüchtlinge haben die letzten Wahlen dort ziemlich deutlich gemacht. Ein damit an die Macht gehievter bekennender Rassist und jetzt Innenminister bekommt mit ihrer Aktion eine Steilvorlage.

Warum wartet sie vor Lampedusa und legt sich dort mit der Hafenpolizei an? Wenn es „nur“ um die Seenot-Rettung ginge, gäbe es noch genügend andere Häfen in anderen Ländern. Wobei die mit ihrer Willkommenskultur am Strand mittlerweile ebenfalls deutlich zurückhaltender sind. In Deutschland wird von einer „Flüchtlingskrise“ gesprochen, die einer AfD die einzige, für schlichte Gemüter ausreichende Argumentation für vermeintlich alle Probleme liefert. Da ist nachvollziehbar, warum massiv und real davon betroffene Einwohner Lampedusas die Nase voll haben und statt „Benvenuto Carola!“ extrem unangemessene Flüche raushauen. Denn wer hilft ihnen, wenn Frau Rakete die Geretteten abgeladen hat und die Scheinwerfer aus sind?

Fraglos ist Herr Salvini das, was andere hinten in der Hose haben. Doch wenn sonst keiner Flüchtlinge will, warum soll Italien sie alle nehmen? Oder die Türkei, oder Griechenland? Was wäre wohl passiert, wenn die „Sea Watch 3“ in Hamburg angelegt hätte? Oder in Holland, unter deren Flagge sie fährt? Hätten sich Herr Böhmermann und Herr Heufer-Umlauf ebenso ins Zeug gelegt? Hätte das auch nur ansatzweise ein vergleichbares mediales Echo ausgelöst?

Jetzt wird für eine Frau Rakete mal eben fix in wenigen Tage mehr als eine halbe Million für die „anfallenden Rechtskosten und Ausgaben der Lebensretter “ gesammelt, sie ist „Medienstar“, „Sea Watch“ in aller Munde. Über die Geretteten spricht keiner, die wurden irgendwo in einem Sammellager verklappt. Ob diese Menschen geflohen wären, wenn ihnen die spontan eingesammelten Spenden zur Verfügung gestanden hätte? Jetzt verdienen insbesondere Anwälte mit ihrem Elend Geld, in den Heimatländern könnte der Betrag vermutlich neben den Geflohenen auch deren Familien für geraume Zeit ernähren oder gar eine dauerhafte Lebensgrundlage schaffen.

Mich beschleicht das Gefühl, dass es hier weniger um die Geretteten als um etwas ganz Anderes geht.

Vielleicht bedarf es solcher Aktionen, damit „die EU“ einen Stachel im Hintern hat. Denn Menschen im Mittelemeer jämmerlich ersaufen lassen ist keine akzeptable Option für das „christliche Abendland“. Doch aus der Ferne betroffene Leute „vor Ort an Land“ kein Verständnis entgegen bringen oder verbal angreifen, bei denen jeden Tag das Elend an der Haustür vorbei läuft, ist für meinen Geschmack zumindest fragwürdig. Insbesondere, wenn das eigene Engagement aufgegeben wurde, was vergleichsweise unkommentiert über die Bühne ging.

Viele Gemeinden scheitern bereits an einer Tonne und einen Tütenspender im Park, damit Hundebesitzer Struppis Hinterlassenschaften ordentlich wegräumen könnten. Die Flüchtlings-Thematik ist um ein Vielfaches komplexer, es geht um weit mehr als gelegentlich mal Scheiße am Schuh. Doch so wie eine Tonne und ein paar Tüten Abhilfe schaffen kann, muss es auch eine Lösung für Flüchtlinge geben, die für alle Betroffenen Abhilfe schafft. Die Antwort auf die Frage „Warum fliehen Menschen?“ dürfte der Schlüssel sein. Die Beseitigung von Ursachen ist immer nachhaltiger und besser, als das Behandeln von Symptomen.

Doch wer die Anerkennung von Rechten fordert, muss sich – so unbequem das auch sein mag – an geltendes Recht halten. Denn je mehr sich über geltende Gesetze hinweg setzen, desto mehr Scheiße haben alle an den Schuhen. Und das ist das vergleichsweise harmloseste Problem.

Das ist eine „Huhn-Ei“-Problematik. Doch wie erklärt man 15-Jährigen, warum eine Frau Rakete ein Polizeiboot „für die gute Sache“ rammen darf, wenn es für sie schon (m.E. berechtigten) Ärger gibt, weil sie ein Polizisten „nur ein bisschen anpöbeln“, der eine Demo „für die gute Sache“ begleitet.

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