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Das „Erster“-Ding

Erstellt: 11.06.2020 Lesedauer 4 - 5 Min.

Peter A. träumt von Weltherrschaft. Die Geschichte zeigt: In Deutschland geht das immer schief.

🔍 Der König der Welt?
Mit einer „nationalen Wasserstoff-Strategie“ soll Deutschland „Weltführer“ werden. Verspricht Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf 28 Seiten. Naja. Eigentlich sind es nur 24, wenn die Leerseiten, Umschlagsseiten und Inhaltsverzeichnis abgezogen werden. Wie schon des öfteren wird hier eine Absichtserklärung hingeschwurbelt, von der mutmaßlich in wenigen Jahren so viel übrig ist wie vom dritten Reich – dem Paradebeispiel für gescheiterten Größenwahn in Deutschland.

Ungefähr alle 10 Jahre kommt ein Politiker mit einem Technik-Thema um die Ecke, das mit viel Geld ausgestattet in Deutschland irgend eine Wende herbei führen soll. Da wurde beispielsweise unendlich Geld in den Transrapid gesteckt, das Projekt dann nach langjähriger Forschung und Entwicklung später jedoch eingestampft. Zumindest in Deutschland. — In China fährt er…

In Sachen „Energie-Wende“ gab es Absichtserklärungen und Versprechen, die alle wieder zurück genommen wurden, wenn es aus welchem Grund auch immer „unkommod“ wurde. Investoren in Wind- oder Solarenergie wissen das – an der breiten Masse ging es vergleichsweise spurlos vorüber, hat sie vielleicht gerade noch verärgert, weil „die am teuren Strom schuld sind“. Denn alle Versprechen der Regierung werden Community-basiert, sprich: Mittels Steuern und Abgaben der Allgemeinheit für einige wenige Nutznießer realisiert. Sobald es eine breitere Masse für sich entdeckt, wird es Zeit für einen Sinneswandel.

Beim Wasserstoff hat sich der Peter A. etwas heraus gefischt, bei dem absehbar keine Verallgemeinerung stattfinden kann. Das mit der H2-Elektrolyse im hauseigenen Keller dürfte auf absehbare Zeit kein Potenzial haben – abgesehen von interessanten Feuerwehr-Einsätzen bei Leuten, die es trotzdem versuchen. Offshore-Windparks oder Gigawatt-Solaranlagen entziehen sich ebenfalls dem allgemeinen Zugriff, das Thema ist damit sauber bei den Lobbyisten aufgehängt, die schon über die Zeit nach Ablauf der Kohleförderung nachdenken.

Immerhin hat sich mit dieser Ankündigung eine andere bewahrheitet. Im „Klima-Päckchen“, den »Eckpunkten für das Klimaschutzbrogramm 2030« kam die Brennstoffzelle schon mal vor (»Entwicklung strombasierter Kraftstoffe«), allerdings war da noch keine Infrastruktur geplant. Das soll jetzt »Maßnahme 8« „zügig“ ändern. Jedenfalls für den Schwerlastverkehr.

Da hat die Firma Alstrom (Frankreich) den mit Brennstoffzelle betriebenen Zug „Coradia“ schon ohne großes Tamtam 2018 (!)in Niedersachsen (!!!) in den regulären Fahrgastbetrieb gebracht. Die Firma Nikola (USA) hat 2017 einen H2-LKW vorgestellt, der 2021 auf der Straße rollen soll. Bei den LKWs unkte der »Südkurier« im März (2020), dass die Schweiz und Hyundai bei der LKW-Technik Deutschland und Daimler abhängen könnte. Dort fährt sogar schon ein Brennstoffzellen-LKW, bis Jahresende sollen es 50 sein. Ein „zügiger“ Ausbau der Infrastruktur ist damit in der Schweiz zumindest konkret terminiert. Jedenfalls hat Hyundai (Korea) damit einen klaren Vorsprung. Wie klar, lässt sich erahnen, wenn Anfragen im Rahmen des Projekts bezüglich Wasserstoff-LKW bei europäischen Herstellen offenbar erfolglos waren. Die These »Deutschland hängt hinterher« liegt dabei irgendwie auf der Hand. Da gibt es lediglich „Prototypen für Kleinlastwagen“, trotz 30 Jahre Forschung.

Generell ist Asien in Sachen Wasserstoff schon deutlich weiter als es Peter Altmaier offenkundig wahr haben will. Dort sind neben Hyundai bereits Toyota und Honda losgelaufen und präsentieren kaufbare Fahrzeuge im PKW-Segment – von dem in Deutschland augenscheinlich noch keiner ernsthaft Notiz genommen hat. Hier glauben viele noch daran, dass Autos mit dicken Akku-Packs, für die es keinerlei Chance auf eine funktionierende Lade-Infrastruktur in Städten gibt, die Zukunft seien. Wobei die Zukunft von Akku-betriebenen Autos zweifellos in den Städten liegt, denn für Langstrecken sind sie absehbar keine Option. Sie fallen für die Stadt gleichermaßen als „alltagstauglich“ aus, wenn die Zahl der Nutzer die Zahl der (möglichen) Ladestationen übersteigt. Außerdem ist absehbar, dass der Ausbau einer „Akku-Lader-Infrastruktur“ ein Jahrhundert-Projekt ist: Bei der Bahn wurde mit der Elektrifizierung vor über 100 Jahren begonnen. Immerhin sind mittlerweile 2/3 der Gesamtstrecke geschafft…

In Deutschland wird bestenfalls herumprobiert und „Protztechnik“ wie der GLC F-Cell von Mercedes ohne konkreten Plan für die Vermarktung vorgestellt. Ein Brennstoffzellen-Auto, das „exklusiv ausgeliefert“ wird oder es »schon dieses Jahr erste« Fahrzeuge „zur Miete“ (für schlappe 670€/Monat) geben soll, ist ein Technik-Spielzeug, aber kein ernsthafter Angriff auf den Massenmarkt, geschweige denn der Versuch, mit der Brennstoffzelle „Weltmarktführer“ zu werden.

Der größte deutsche Autobauer VW – immerhin bringt der „im Spätsommer“ ein (angeblich) serienreifes E-Auto – positioniert sich mit markigen Sprüchen explizit gegen die Brennstoffzelle. Als Grund wird die bessere Effizienz von E-Autos angeführt. Was jedoch als Hilfsargumentation gedeutet werden kann: Was im eigenen Portfolio fehlt, kann aus Sicht von VW einfach kein Erfolg werden. Blöd wird's halt möglicherweise, wenn PKW-Besitzer auf den Trichter kommen, dass die H2-LKW-Infrastruktur ihnen auf dem Land ein Fortkommen ermöglicht, während in der Stadt der Trend schon länger vom Auto weg hin zum Fahrrad und Personennahverkehr geht. Das hat eine definierende Wirkung für die Märkte von morgen.

Ausgehend von der aktuellen Situation sieht es damit eher schlecht für die heeren Ziele unseres Wirtschaftsministers Peter Altmaier aus. Insbesondere, wenn echte (Noch-)Major-Player wie VW argumentieren, Wasserstoff sei bei Flugzeugen, im Schwerlastverkehr oder für Schiffe effizient, bei PKW jedoch „ungünstig“. Als zentrales Argument wird bei VW die schlechte Energie-Bilanz der H2-Gewinnung ins Feld geführt. Die gilt jedoch generell, daher können „alle anderen außer dem PKW“ keine bessere Öko-Bilanz haben. Vor allem hat Wasserstoff gegenüber dem „Akku-Auto“ einen klaren Vorteil: Die erforderliche Energie lässt sich verschleißfrei für das Fahrzeug sehr schnell einbringen. Zwar verbessern sich die Zeiten bei den Ladestationen, doch „schneller“ bedeutet bei allen verfügbaren Akku-Typen aktuell signifikanten Verschleiß = abnehmende Reichweite. Die Kosten für einen neuen Akku-Block, mit dem ich dann wieder die versprochenen 4-600km schaffe, sowie deren extrem unschöne Ökobilanz, kommen jedoch in keiner Vergleichsrechnung von VW vor.

Außerdem hinkt der Vergleich von VW ganz gewaltig, da ein entscheidender Aspekt einfach ignoriert wird: Es mag ja sein, dass die Erzeugung von Wasserstoff ineffizient ist. Noch ineffizienter ist es, erzeugte Energie ungenutzt verpuffen zu lassen, wie es absehbar bei diverse Großprojekte der Fall ist. Selbst wenn das Legen der erforderlichen Stromtrassen keinen massiven Widerstand aus der Bevölkerung hätte, wird es noch Jahrzehnte dauern, bis die erforderlichen Strom-Mengen in der Republik verfügbar sein könn(t)en. Deshalb ist der Ansatz mobil transportabler Energie, der sich bei den von VW so erfolgreich verkauften Verbrennern als äußerst praktikabel erwiesen hat und für den die Infrastruktur bereits existiert, durchaus die wahrscheinlich bessere Zukunftsperspektive.

Das mit dem „Weltführer“ hake ich mal als „auf die Kacke hauen“ ab – der Gedanke als solcher geht für mich jedoch in die richtige Richtung.

Das Bild stammt von Pixabay.