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Im Durchnitt reich

Erstellt: 01.09.2020 Lesedauer 2 - 3 Min.

Angeblich sind wir „im Durchschnitt“ alle reich. „Die Welt“ rechnet vor, dass Rentner 3.574 € im Monat haben. Die waren nämlich sparsam. Ich halte das für eine „Milch­mädchen-Rechnung“.

Der Artikel „3574 Euro im Monat – Das Märchen vom armen deutschen Rentner“ liegt hinter der „PayWall“ von „Welt.de“.

🔍 Wer hat kann anhäufen, andere müssen das Geld mehrfach umdrehen.
„Mittlere Ein­kommen“, „Mitt­leres Ver­mö­gen“, „Durch­schnitt“ – das sind die üblichen Be­schrei­bungen in Artikeln, die uns vor­rech­nen, wie reich oder wie arm wir alle sind. Aller­dings ist das so ein „wir“-Ding, dass sich je nach eigener Lebens­situation irgend­wie anders anfühlt:

Wer sich nur unter Milliardären bewegt, ist als Millionär schlichtweg eine arme Sau.

Das Dilemma des „Mittleren“ oder „Durch­schnitt­lichen“ lässt sich mit ein paar Zahlen­ verdeut­lichen:

… verdienen 100 Leute im Durchschnitt 3.574 €.

Das gilt analog für angespartes Vermögen, mit dem der oben zitierte Artikel uns alle „reich rechnet“.

Während Menschen mit „durchschnittlich 3.574 €“ in vielen Fällen ihr ganzes Leben lang keine Möglichkeit zum Anhäufen von Vermögen haben und froh sind, wenn für die neue Waschmaschine kein Kleinkredit notwendig ist, haben andere mit ebenfalls „durchschnittlich 3.574 €“ nach dreimal Malediven, zwei Luxusautos und dem Gärtner für die Villa am Jahresende immer noch was übrig.

Bemerkenswert im oben verwiesenen Artikel sind Anmerkungen der Art: »[…] die obere Mittelschicht (150 bis 250 Prozent des Medians)[…]«. Bisher waren 100% für mich „alle“. Wenn sich »150 bis 250«% über dem Median – also dem Durchschnitt – befinden, bekomme ich das Gefühl, dass die zugrunde liegende Berechnung einen groben Fehler enthalten muss.

Wenn – lt. Artikel – »ein Drittel« zur »oberen Mittelschicht« zählt, muss mindestens ein Drittel unterdurchschnittlich sein – zumindest wenn mit „normaler Prozentrechnung“ gerechnet wird. Wenn das jedoch lediglich „die obere Mitte“ ist (wo immer die liegt…), gibt es zwingend einen Bereich zwischen „oberer Mitte“ und „Spitze“. Das schlägt sich – siehe oben – entsprechend auf die Anzahl derer nieder, die sich „unterhalb der oberen Mitte“ befinden.

Der Artikel schließt mit der Bemerkung, dass 45% aller Rentner „reich“ seien und deshalb die „Verteilungsdebatte“ neuen „Zündstoff“ bekäme. Was immer damit gemeint sein kann, bedeuten 45% vermeintlich Reiche mindestens 55% schlechter Gestellte bis objektiv existenziell Bedrohte — je nach Definition von „reich“. Soweit ich die Diskussion verfolgt habe, ist das kein „neuer Zündstoff“ sondern der Kern des Problems.

Es einfach „anders herum“ darstellen, ist eine bizarre Verleugnung derjenigen, die ihr Leben lang fleißig waren und jetzt trotzdem bei der Tafel anstehen müssen, damit Essen auf dem Tisch ist.
Selbst mit den beschönigenden Zahlen des Artikels bleibt diese Gruppe deutlich in der Überzahl…

Nachtrag

Im Artikel wird Immobilien-Besitz als Vermögen angesetzt. Das ist zwar objektiv korrekt, doch in der Praxis bedeutet das vor allem erst einmal anfallende Kosten (Steuern, etc.). Außerdem ist der rechnerische Wert eines Anwesens zwar für die Gebührentabelle ausschlaggebend, ob das bei einem Verkauf tatsächlich erzielbar wäre, steht auf einem anderen Blatt. Was das tägliche Leben betrifft, ist ein Eigenheim „totes Kapital“, es senkt bestenfalls die laufenden Kosten – was jedoch unstreitig schon ein Vorteil gegenüber jenen ist, die unverhältnismäßig steigende Mieten schultern müssen. Ist halt die Frage, wie viel Verzicht es für die Lebensjahre bedeutet hat, in denen das Eigenheim abgestottert wurde – soweit das überhaupt schon der Fall ist.

Das Bild stammt von Pixabay.