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Nachrichten-Hitparade

Erstellt: 14.09.2020 Lesedauer 3 - 4 Min.

Nach dem Motto „was tausenden Fliegen schmeckt…“ gibt es bei immer mehr Online-Medien eine »Top Ten« der meist­geklickten Artikel. Doch ist der Herden­trieb tatsächlich ein Ausdruck von Interesse oder wird damit erst Interesse generiert?

🔍 Nachrichten als Unter­haltungs­show?
Selbst bei – zumindest was die Eigen­dar­stellung betrifft – „vertrauens­würdigen, serösen“ Angeboten wie der Tagesschau findet sich im unteren Drittel der Seite eine „Top Ten“ – knapp über der Wetter­vorher­sage – die mut­maßlich aus dem Ranking ausge­klammert ist, denn sie wäre darin wahr­scheinlich Dauergast. Bei „heute“ gibt es zwar lediglich eine „Top Five“, die jedoch ganz am Ende der Seite neben dem Wetter präsentiert werden – warum wohl?

Wer vergleicht, wird fest­stellen, dass es grund­legend unter­schied­liche Interessen bei den Besuchern der beiden öffent­lich-recht­lichen Anbieter zu geben scheint. Was jedoch schlicht am „Top“-Angebot liegen kann. So funk­tio­niert Werbung nunmal: Was sichtbar ist, wird registriert. Im Netz wird eben schnell mal drauf­geklickt – wieder ein Punkt für's Ranking gesammelt. Das hat ein bisschen was von »selbst­erfüllen­der Prophe­zeiung«.

Besonders schräg wird es, wenn bei „Welt(.de)“ ein Betrag bei „heute“ das Ranking („Top 4“) anführt, der beim Sender selbst im Nachrichten­bereich keine Erwähnung findet. Dort wird an vierter Position sogar Wahr­sagerei betrieben, weil »diese Wahl die Republik bewegen wird«. Der Spiegel beruft sich statt dessen auf ge­heim­nis­volle »Spiegel-Infor­ma­tionen« wenn enthüllt wird: »Nawalny sollte im Flugzeug sterben«.

Bei der Süd­deutsche(n) Zeitung werden freund­licherweise die Zahlen angeboten, auf deren Grund­lage das »Leser lesen«-Ranking gebildet wird. Was Rück­schlüsse zulässt. Es handelt sich zum einen offenbar um eine schlichte Moment­aufnahme, also eine Aus­wertung des aktuellen Leses­verhaltens der Seiten­besucher. Wird die Detail­seite nach ein paar Minuten aktualisiert, entsteht der Eindruck: Die Leser folgen sich selbst. Die Leserate der oberen rutscht nach unten, in den unteren Rängen rutschen die Artikel aus dem Ranking, werden durch neue, auf­steigen­de der Start­seite verdrängt.

Dieses Ranking macht vor allem die Halb­werts­zeiten deutlich, mit der Nachrichten Relevanz haben. Die in der Tabelle unten notierten Zahlen des Rankings der „Süd­deutschen“ sind im Abstand von ca. fünf Minuten notiert. Sie zeigen gleicher­maßen, wie Relevanz geschaffen wird. Knapp 10 % von (relativ konstant) knapp 11.000 Lesern generieren allein durch das darauf Zugreifen (!) einen „Platz 1 Artikel“, der durch das Ranking eine ver­meint­lich höhere Wichtig­keit erhält. Aus einer Ansamm­lung von Minder­heiten wird ver­meint­liche Relevanz abgeleitet.

Die Platz­ierungen des »Liveblog:…« der Tagesschau bezieh­ungs­weise des »News­update…« des Spiegel erklärt sich aus dem „Klick-Pusher“ der News­letter: Das sind die dort präsen­tier­ten Artikel. Zum Abonnement von Newslettern — oder gleich Nutz­ung der Mit­be­werber elimi­nieren­den Appp — wird mit einer gewissen Pene­tranz auf­gefordert.

So wird aus vermeintlich objektiver Bericht­erstat­tung eine Meinungs­blase erzeugt, die mittels selektivem Angebot der Präsen­tatoren gelenkt wird. Die Zahlen bei der „Süd­deutsch­en“ machen – ent­sprech­end kritisch hinter­fragt – zumin­dest deutlich, was von vermeint­lichen „Trends“ oder „Hypes“ im Internet zu halten ist: Es sind bezogen auf das „große Ganze“ ver­schwin­dend kleine Grup­pen, die hinter diesen „Bewe­gun­gen“ stehen, die durch das Auf­greifen von „Multi­pli­ka­to­ren“ – nämlich anderen Medien – eine Bedeutung erhalten, die völlig un­an­ge­mes­sen ist. So wie ein weiteres Ranking von Nachrichten, das bereits durch die Vorauswahl der Redaktionen erfolgt ist.

Durch Rank­ing­listen wird diese Vor­selek­tion mut­maß­lich zusätz­lich befeuert, weil damit Leser gehalten oder generiert werden sollen. Die Nachricht verkommt zur konfektionierten Handels­ware nach dem Geschmack der „Lesekunden“.

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»Meistgelesen«
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Tabelle erstellt zwischen 9:30 - 9:50 Uhr am 13.09.2020

Das Bild stammt von Pixabay.