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Die Monitorwand

Erstellt: 09.02.2021 Lesedauer 2 - 3 Min.

RBB 88,8 ist mein „Haussender“. Die spielen zwar überwiegend „Rentner-Musik“, dafür sind die Programm-Begleitenden professionell, mit Wortwitz, Allgemeinbildung, ganzen Sätzen ohne ständige Wortwiederholungen, haben einen soliden Sprachschatz statt „Deutsch-Minimalismus“ sowie weitere Fähigkeiten, die Radiomoderierende für meinen Geschmack haben sollten.

🔍 Big Brother für Verkehrsmeldungen
Doch manchmal gehen selbst die mir ein bisschen auf die Nerven. Wenn beispielsweise von der „großen Monitorwand“ die Rede ist, vor der bei den Verkehrsmeldungen für Berlin jemand sitzt, der erzählt, was er sieht. Also ein bisschen so wie Fußball-Live-Übertragung ohne Ball. Da sitzt ebenfalls jemand im Stadion und erzählt, was er sieht. Bei der zitierten Monitorwand sind es die Augen der Verkehrsleit-Zentrale, sprich: Verkehrskameras, die optische Rückmeldung zu Staus und Störungen auf Berlins Straßen geben.

Die „große Monitorwand“ hat natürlich eine Größe. Rieisig halt. Darauf weist der stolze Moderator – es sind immer Kerle – jedes Mal hin. Was unter dem Gesichtspunkt „Alleinstellungsmerkmal“ durchaus nachvollziehbar ist. Für Lauschende, die das Radio als Arbeitsbegleitung nutzen, klingt das mit halbem Ohr zugehört leicht nach „ich hab den Längsten“.

Vor ein paar Tagen erschien es mir mal wieder so, dass die Größe der Monitorwand sowie die Tatsache ihrer Existenz einen höheren Stellenwert in der Durchsage hatte als das, wofür sie da ist: Verkehrsmeldungen. Das war der perfekte Zeitpunkt für nachfolgende E-Mail an den RBB:

Hallo!
> Mich würde brennend interessieren, ob es irgend wem auffallen würde, wenn die „30m² Monitorwand“ bei den Verkehrsmeldungen mal 27, mal 32, mal … Quadratmeter groß wäre.
> Oder ob diese mantra-artig wiederkehrende „Strunzen“ im Grunde niemanden interessiert.

Die Intention war lediglich, die Programmverantwortenden wissen zu lassen, dass es da draußen Leute gibt, denen die Größe des Monitors schlicht egal ist. Relevant ist, was daraus gemacht wird. Wenn wir alle anfangen unsere täglichen Werkzeuge in dieser ausschweifenden Form zu rühmen, könnte das so aussehen:

Irgendwie traf meine E-Mail offenbar einen Nerv. Denn gestern klingelte das Telefon, eine freundliche Dame war dran – von RBB. Es war ein außerordentlich angenehmes Gespräch, in dem beide Seiten die Positionen austauschen, die von beiden Seiten respektiert und nachvollzogen wurden. Zweifellos ist es in der Radiolandschaft hinreichend eng geworden, um ein „wir haben Zugriff auf die größe Verkehrsüberwachungsmonitorwand Berlins“ regelmäßig ins Programm einzustreuen. Einsehbar.

Ebenso einsehbar, dass mich als Brandenburger (RBB = Radio Berlin Brandenburg) leidlich wenig interessiert, was gerade in Berlin läuft – oder eben nicht. Irgendwo in Brandenburg steht wahrscheinlich ebenfalls eine große Verkehrsüberwachungsvideoleinwand herum. Doch ebenso wahrscheinlich ist bei uns so wenig los oder wir haben die Verkehrsströme so gut im Griff, dass davor Sitzende regelmäßig ob der Ereignislosigkeit wegnicken.

Wobei: Das sonore Atmen eines entspannt schlafenden Verkehrsmoderators hätte womöglich einen für Verkehrsteilnehmende wertvollere Wirkung als das, was für so manchen eine vermeintlich neutrale Verkehrsstörungsmeldung bedeutet: »Du arme Sau hast hoffentlich einen vollen Tank, was zu trinken und zu essen dabei. Wirst du alles für den nächsten Kilometer brauchen…«.

Epilog: Ist ja eine schöne Geste mit dem persönlichen Rückruf. Allerdings sind Rückmeldungen offenbar selektiv. Denn auf meine ebenfalls per E-Mail eingereichte Frage Ende letzten Jahres, warum der öffentlich-rechtliche Radiosender RBB die Zuhörenden permanent auf DSGVO-problematische Dienste wie Facebook und WhatsApp für die Teilnahme am Programm verweist, liegt bisher keinerlei Reaktion vor.

Das Bild stammt von Pixabay.