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Hungersteine

Erstellt: 18.08.2022 Lesedauer ~ 1:40 Min.

Die Informationslandschaft durchweht dieser Tage ein altes Wort: »Hungerstein«. Passt zum Wetter, eröffnet Spekulationsraum, doch eine Frage stellt keiner…

Begonnen hat es wohl im Spiegel, der wiederum auf einen Tweet verweist, der – lt. Spiegel – kein aktuelles Bild zeigen würde: In austrocknenden Flüssen werden Steine sichtbar, die typischerweise von Wasser bedeckt sind. Dort haben Zeitgenossen Jahreszahlen und mehr oder minder erbauliche Sprüche hinterlassen. Allgemeiner Tenor: »So trocken war Jahr x«.

Wer Wikipedia konsultiert kann sehen, dass „wenig Wasser“ durchaus seit Jahrhunderten eine gewisse Normalität hat. Die Folgen waren immer unschön, die Tatsache, dass alte Steine nach langer Zeit wieder auftauchen legt nah, dass es entsprechend lang keine vergleichbare Dürre gab.

Leider findet sich nirgends eine „absolute Skala“ für die Aussagen auf diesen Steinen. Es wird zwar auf Steine mit Gravuren verwiesen, doch wo der dort verzeichnete Wasserstand sich zu Ständen anderer Steine befindet, bleibt unklar. Es könnte daher sein, dass diverse Jahreszahlen mehr oder minder gleiche Pegel markieren. Es ist zumindest unklar, wann – laut Hungersteinen – der tiefste je markierte Pegel gemessen wurde. Undokumentiert ist, wie Flussvertiefungen oder Begradigungen die Pegelstände beeinflusst haben – die Hungersteine wurden wohl kaum darauf angepasst.

Der diesjährige Wasserstand des Rheins liegt mittlerweile tiefer als 2018, was wohl der bisherige Tiefstand war – auch hier: keine Angabe zum Messzeitraum und den Vergleichswerten. Diese Aussage ist eine „offiziell gemessene“, Vergleichsaussagen zu Hungersteinen gibt es keine. Was eine Einordnung dazu unmöglich macht.

Eine erkennbare Häufung der Niedrigstände in den letzten Jahren legt einen ursächlichen Zusammenhang zum Klimawandel nahe. Wobei einige Artikel zwischen den Zeilen andeuten, dass die „Wartung“ der Hungersteine kein offizielles Unterfangen war und ist, sondern von der Eigeninitiative Einzelner abhängt. Einerseits nurzen die das schon mal für Eigenwerbung (s. Wikipedia, 1938, Pumpenfabrikant Frantisek Sigmund), andererseits ist deshalb keine lückenlose Dokumentation gewährleistet. Es kann sein, dass jemand was graviert hat, muss aber nicht.

Interessant wäre, warum es schon viel früher und vor allem relativ regelmäßig Tiefststände gab und in welchem Maß das auf die aktuelle Dürre anwendbare Erkenntnisse sind. Das interessiert offenbar niemanden in der Tagespresse.

Bei ntv gibt es eine Karte mit den aktuellen Wasserständen, die zeigt, dass die – normalerweise – schiffbaren Flüsse aktuell wenig Wasser führen.