Friedrich und die WELT
„Die Welt“ hat aktuell ein Unterscheidungsdilemma. Während sie dem einen Friedrich permanent die Klöten krault, tritt sie dem andern in eben diese.
Der eine Friedrich wäre angeblich ein doller Kanzler, völlig ungeachtet der Tatsache, dass er sich nach seiner Niederlage gegen Frau Merkel jahrelang schmollend, bestenfalls immer mal wieder von den Hinterbänken motzend, zurückgezogen hat und sich zwischenzeitlich ob seiner politischen Kontakte als Top-Lobbyist und Aufsichtsratschef von BlackRock Deutschland als durch und durch Abhängiger, sowie allein dem Kapital Zugewandter outet. Was in seiner Partei erschreckend viele keineswegs stört, im Gegenteil, ausgerechnet die Jüngeren huldigen ihm als vermeintlichem Heilsbringer.Der andere Friedrich ist ein „Ossi“, der doch tatsächlich die Unverschämtheit besessen hat, als Kapitalist so richtig erfolgreich zu sein. Zum Glück – zumindest für „Die Welt“ – hat er sich als junger Mann von einem Staat erpressen lassen, womit man ihm nun das Leben schwer machen kann. Was – natürlich völlig unbeabsichtigt – gleich mehrere Mitbewerber im hart umkämpften Zeitungsmarkt vermeintlich in Erklärungsnöte bringt.
Es ist schon bemerkenswert, wie viel Energie so eine „Welt“-Redaktion für das Nachspüren einer Ost-Vergangenheit eines Menschen entwickelt, der doch tatsächlich ohne jede Scham und Dankbarkeit im selben Teich angeln will. Im Schlepptau tröten weitere Zeitungen mit — überwiegend (ehemals) westdeutsche, was das doch für eine Schweinerei sei.
Dass im Dunstkreis dieses Verlagskaufs seitens Herrn Friedrich einiges absolut hinterfragenswert ist und Öffentlichkeit verdient hat, will ich damit keineswegs in Abrede stellen. Zumindest wenn das alles so stimmt, was da — von wem auch immer — bemerkenswert umfangreich und aktuell zum Thema „Stasi-Affäre“ bei Wikipedia über Holger Friedrich zusammengetragen wird.
Das Geschrei der „Welt“, Publikation des Axel Springer Verlages, hat für mich allerdings „Geschmäckle“.
Ziemlich offensichtlich wird hier einem Mitbewerber, der erwiesenermaßen im Gegensatz zu anderen Publikationen mit vergleichbaren „Affären“ erneut außerordentlich selbstkritisch und transparent ist, in die Suppe gespuckt. Das gehört natürlich irgendwie zum täglichen Sensationsgeschäft, was die aufmerksamkeitsgeilen Schlagzeilen der Tages- und Wochenpresse dokumentieren. Dennoch gibt es – zumindest in diesem Thema – eine gewisse Auffälligkeit: „Der Osten“ hat aufzuarbeiten, im Westen, – nunja, in diese Himmelsrichtung ist die Suche sichtlich „unengagierter“:
- Wie viel Energie hat „Die Welt“ beispielsweise in die Aufklärung und Hinterfragung der angeblich verschwundenen 100.000 DM investiert, die unserem aktuellen Bundestagspräsidenten, Herrn Schäuble, von Herrn Schreiber, Waffenhändler, zugesteckt worden sein sollen?
- Was ist mit der Aufklärung der CDU-Spendenaffäre, in deren Verlauf Herr Kohl ein „Ehrenwort“ gab und die Namen der Spender mit ins Grab nahm – die jedoch mit Sicherheit weiteren Personen bekannt sind?
Diese Liste ließe sich beachtlich fortsetzen, doch mir geht es um etwas anderes: Weshalb halten westdeutsche Medien mit bedauernswert tumben Kommentaren („Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt: Dreißig Jahre nach dem Mauerfall ist die Berliner Zeitung wieder in Stasihand.) die Gräben offen, verbreitern sie womöglich sogar damit?
Herr Holger Friedrich ist dafür zwar ein eher ungeeignetes Beispiel, doch sein „Vornamensvetter“ Friedrich Merz ist aus meiner Sicht mindestens genauso, aufgrund der von ihm geknüpften Netze erheblich mehr „hinterfragenswert“. Er hat jedoch den zufälligen, biologischen Vorteil, dass er auf der „richtigen“ Seite geboren wurde. Welche Interessen er insbesondere bei BlackRock vertritt und was der wahre Antrieb seines „Comebacks“ ins politische Scheinwerferlicht ist, erscheint mir, mit Blick auf seine offensichtlichen Ambitionen und den damit verbundenen Möglichkeiten, erheblich spannender, als ein „Ossi“-Milliardär, der sich einen Verlag kauft.
Milliardäre gibt es auch im im Westen bei Verlagen, zum Beispiel dem, der „Die Welt“ verlegt, die bei diesen für meinen Geschmack erheblich brisanteren Themen bezüglich des anderen Friedrich offenbar keinen Anlass für Recherchen sieht.
Hintergrund (unvollständig!):
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