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Entgendern nach Phettberg?

Erstellt: 26.12.2023 Lesedauer ~2:20 Min.

Ein Beitrag bei BlueSky, »Generisches Maskulinum verwenden, ist gendern«, veranlasste mich zu einer Reaktion. Die führte zu einer – erfreulich höflichen – Genderdebatte, die einige interessante Aspekte hervor- und mir eine erfreulich praktikable Lösung nahebrachte.

Zwei Männchen rangeln mit Männlich/Weiblich-Symbolen 🔍
Beim Ringen um „geschlechtsneutrale“ Sprache scheiden sich die Geister.

Die bekannten Gender-Variationen mit Doppelpunkt, Stern oder „Binnen-I“ sind untauglich. Ich folge Gisela Klann-Delius1: Darunter leide die Lesbarkeit eines Textes, das „rumgendern“ erschwere Lesys2 das Fokussieren auf die eigentlichen Aussagen. In Frankreich sind mit dieser Argumentation bereits seit 2017 die dort analog verwendeten Mediopunke3 in Behörden, seit 2021 in Schulen verboten.

Die Holländys setzten auf das generische Maskulin und verweisen darauf, die Vermischung der Geschlechter in Berufen würde eine Bedeutungsverschiebung herbei führen, weil sich die Wahrnehmung verändere. Sie setzen auf „Wandel im Kopf“ statt „Kopf durch Sprache wandeln“. Das befeuern Sprachforschys, die die Wirkung von Sprache auf die Wahrnehmung als „überschätzt“4 einstufen. Auch sei die Sprache weder für gesellschaftliche Probleme verantwortlich, noch könne sie diese beheben5.

Wenn wir bei Donau und Rhein „Flüsse“ im Kopf haben, ist es unerheblich, weshalb es „der Rein“ und „die Donau“ heißt. Wird dem generischen Maskulin zugestanden, er gilt für „Menschen“ und das Sprachverständnis sich in diese Richtung entwickelt, würde das den Streit darüber relativieren. Aber:

Der These, wir hätten beim Wort „Arzt“ einen männlichen Vertreter der Arztys im Kopf, widerspricht eine Miniumfrage im Bekanntenkreis: Es hängt davon ab, ob das eigene Arzty ein Mann oder eine Frau ist.

Demnach hängt Sprachverständnis feststellbar von persönlichen Faktoren ab, was sowohl den Kritikys des generischen Maskulin, als auch den Befürwortys recht gibt.

Progressive Spanierys und Portugiesys probieren es mit einem „@“, in Argentinien wird das weiblich definierende „a“ und das männlich definierende „o“ durch ein „e“ ersetzt. Diese Variante ist charmant. Sie wirkt auf mich (ohne Spanisch/Por­tu­gie­sisch-Kennt­nisse) gut les- und sprechbar, der Satzbau erscheint unangetastet.

Ein klarer Nachtei von Punkten, Strichen oder „Binnen-Buchstaben mit Anhang“ sind die dadurch entstehenden „Satzmonster“. Alle diese Ansätze provozieren im Satzbau Anpassungsorgien an die sprachlich tief verwurzelte Grammatik, die ein Genus erwartet. Der österreichische Künstler Hermes Phettberg verwendet seit rund 30 Jahren eine „geschlechtsneutrale“ Sprache. Aus „die Ärztin und „der Arzt“ wird geschlechtsneutral „das Arzty“, aus „die Ärztinnen und Ärzte“ werden „die Ärztys“. Diese Variante stellt Thomas Kronschläger in einem „Science Slam“ vor. Er arbeitet am „Zentrum für Gender Studies“ der TU Braunschweig.

Entgendern nach Phettberg „entschlackt“ die Sprache, satt sie – wie bei bekannteren „Gender-Varianten“ – aufzublähen. Ein kompakter TerraX-Beitrag beleuchtet das.

Mit Blick auf die Vergesellschaftung von künstlicher Intelligenz bekommt „geschlechtsneutrale Sprache“ Relevanz in weiteren Feldern. Mit den im verlinkten Video gelieferten Informationen könnte eine simple Entgenderung der Sprache sogar bei Leuten wie z.B. Herrn Söder („Genderverbot“) ein Umdenken auslösen.

Die Betonung liegt auf ENTgenderung.

Das lässt uns unsere vertraute Grammatik und fügt der Sprache mit einer simplen Regel eine „geschlechtsneutrale“ Variante hinzu, die sich mühelos verwenden lässt.

Für mich die bisher beste Idee zum Thema, die sich hier im Artikel problemlos umsetzen ließ, ohne erzwungenes Nachdenken über (verständliche) Satzstrukturen, wie bei anderen Methoden.

Das Bild stammt von Pixabay.

1Gisela Klann-Delius, Sprache und Geschlecht: Eine Einführung. Metzler, Stuttgart/Weimar 2005, ISBN 3-476-10349-8, S. 186 (Seitenvorschau).

2„Entgendern nach Phettberg“ – das war mir bisher unbekannt.

3député·e·s, oder mit Punkt: député.e.s

4Wolfgang Klein, Man sollte die Sprache so lassen, Interview Lübecker Nachrichten

5wissenschaft.de: Kontrovers: Feministische Linguistik