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Freie Meinung und Streitkultur

Erstellt: 25.10.2019 Lesedauer 2 - 3 Min.

Mit „denen“ redet „man“ nicht. Niemals. Das gehört mittlerweile zum liebevoll gepflegten Selbstverständnis vieler Meinungsgruppen mit Blick auf anders Denkende. Doch wohin führt diese „sprachlose Diskussion“?

🔍 Selbst die reden miteinander!
Die besten Argumente sind absolut wertlos, wenn sie unausgesprochen bleiben. Sie mit denen Mantra-artig wiederholen, die sie teilen, ist bestenfalls selbstgefällig. Der Wert von Argumenten zeigt sich dort, wo der Applaus keineswegs gesichert ist. Er steigt, wenn sie im „gegnerischen“ Umfeld Argumentationsnöte erzeugen. Sie sind wertvoll, wenn aus einer großen Gruppe mit anderer Meinung auch nur ein Einziger sie zumindest für bedenkenswert hält.

Andere niederbrüllen oder sich einer Diskussion aktiv verweigern, lässt Zweifel an der Wahrhaftigkeit der eigenen Argumente aufkommen. Denn wer sich anderen Argumenten verschließt, offenbart die Sorge, dass die eigenen denen Anderer keinen Widerstand bieten könnten. Die eigene Meinung hat nur dann Bedeutung, wenn sie andere Meinung „aushält“. Das ist im Wortsinn gemeint. „Aushalten“ ist ein Belastungstest. Das aufmerksame Respektieren anderer Gedankenräume und deren Abgleich mit dem eigenen ist maßgeblich, wie tragfähig die eigenen Ideen sind. Nur wenn meine Argumente die anderen „aushalten“ beziehungsweise „überdauern“, haben sie eine Chance, bei eben diesen Anderen etwas zu erreichen.

Wer vor den mühsamen Diskussionen zurückschreckt, in denen sich vermeintlich keine Partei auch nur um einen Nanometer zu bewegen scheint, kann kaum erwarten, dass auf einer großen Bühne etwas anderes passiert. Wer „Diskussion“ mit dröhnendem Skandieren von selbst definierten Wahrheiten gleichsetzt, muss sich darüber im Klaren sein, dass der eigenen Meinung ebensoviel Respekt gezollt wird. Nämlich keiner.

Das Ausweichen vor einer Diskussion lässt sich als kampfloses Aufgeben und somit „Sieg auf ganzer Linie“ glorifizieren. Peinlich wird es, wenn dann beide Seite für sich proklamieren, „die Anderen“ hätten das bekommen, was sie verdienen. Das „dem hast du's aber gegeben“ wird gern mittels kollektivem Schulterklopfen einer Meinungsblase für eine meist argumentationsleere Stellungnahme ausgedrückt. Das soll der Gegenseite eine vermeintlich breite Zustimmung und die scheinbare Sinnlosigkeit weiterer Diskussion vermitteln. Dabei zeigt es lediglich, dass einer der Ihren Zuspruch braucht, damit er durchhält. Wie eine feige Schlägerbande die sich einen Einzelnen vorknöpft, weil jeder Einzelne der Bande sich einnässen würde, wenn er das alleine regeln müsste.

Was jeder Sportler weiß, gilt im übertragenen Sinne genauso für Diskussion und Meinungsbildung. Vor dem Erfolg steht harte Arbeit, Ausdauer und das aushalten von Rückschlägen. Nur wer an sich selbst arbeitet, darf und kann das von anderen erwarten oder verlangen. Nur wer versucht die Argumente anderer zu verstehen, worauf sie gründen, kann den Hebel finden, mit dem sich Dinge in eine neue Richtung lenken lassen.

Es zeugt von selbstgefälliger Ignoranz und persönlichem Unvermögen, die Gegenseite als diskussionsunwürdig oder dumm abzutun, mit Drohungen einzuschüchtern, niederzubrüllen. Denn das sind keine Argumente, sondern sichtbares Zeichen für deren Abwesenheit. Spätestens wenn das mit der Notwendigkeit begründet wird, man müsse für „das Richtige“ auch mal Regeln verletzen, kommen selbst kognitiv dünn besiedelte Mitmenschen mit überschaubarer mentaler Anstrengung zur Erkenntnis wohin das führt:

Wenn jeder „seins“ für richtig hält und dafür die Regeln bricht, mündet das zwangsläufig in physischer Gewalt gegen andere, die diese gleichermaßen beantworten müssen, wenn Argumente kein Gehör finden. Bürgerkrieg als Ersatz für Argumente.

Das kann bestenfalls Ziel derer sein, die von vornherein gar keinen Konsens suchen, sondern lediglich auf Krawall, Zerstörung und Chaos aus sind. Ich muss einräumen, dass „bei denen“ mutmaßlich Argumente tatsächlich sinnlos sein könnten. Einen Versuch ist es trotzdem wert.

Das Bild stammt von Pixabay.