100 Millionen für 40 Sekunden?
Lilium ist pleite. Der Bund wollte keine 50 Mio. locker machen, Bayern hat deshalb ebenfalls abgewunken. Vielleicht täuscht mich das, doch bei Start-ups konzentriert sich betriebswirtschaftliches Denken zunehmend auf das Geld anderer Leute, das sehr großzügig ausgegeben wird.
Henry Ford entwickelte sein erstes Auto alleine und in der Freizeit in einem Schuppen hinter dem Haus. Das Geld dafür kam aus dem Job, dem er „nebenbei“ nachging. Statt dem Versprechen eines Ergebnisses überzeugte er seine (späteren) Investoren mit Tatsachen: funktionierenden Resultaten.
Bei Pressemitteilungen über Lilium fällt mir in allen Beiträgen die hohe Frequenz des Wortes „soll“ auf.
- … soll 300 km/h schnell fliegen,
- … soll 300 km weit fliegen,
- … soll autonom fliegen,
- … soll für Regionalflüge eingesetzt werden
(s. Bild: So stellt sich das eine KI vor) - … soll 2025 den kommerziellen Flugbetrieb aufnehmen.
In einer Pressemitteilung von Lilium ist das Ding immerhin schon geflogen. Bemerkenswert, dass das ansonsten so medienwirksam agierende Unternehmen keine Pressevertreter an ihrem Triumph teilhaben ließ: Es gibt keine unabhängigen Augenzeugenberichte über die Flugtests außerhalb des Unternehmens. Blöd, dass dieser Prototyp kurz nach der Pressemitteilung verbrannt ist: Wir müssen einfach glauben, was dort drin steht.
Das Unternehmen hatte 2024 rund 1.000 Mitarbeitende und rund 275 Mio.€ Schulden. Zusätzlich könnten bereits rund 375 Mil.$ wegentwickelt worden sein.1
Auch nach 9 Jahren ist das Teil noch nie in der Öffentlichkeit geflogen.
Spontane Fragen beim Lesen der Pleite-Meldung:
- Saudi-Arabien hat doch schon bestellt. Warum schießen die kein Geld zu?
- Wo ist der Akku mit „mehr als einem Megawatt“ versteckt?
- Überschlägig nachgerechnet:
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Mit neuester Akku-Technologie (Feststoff, 720Wh/kg Spitzenleistung) wiegt allein der Akku bereits rund 1,4 Tonnen (1000kWh/0,72kWh/kg). Bei einer Batterie-Dichte von 2kg/l sind das rund 700 Milchtüten. Zusätzlich zu den fünf Passagieren.
Bilder bei „Cockpit“ wecken Zweifel, ob das alles in das gezeigte Fluggerät reinpasst. Ein neuzeitliches Rätsel.
Mich beschleicht das Gefühl, Lilium könnte ein Test sein, wie viele Millionen verbrannt werden können, bevor jemand nachfragt, wann dafür etwas Verwertbares herauskommt.
- Zum Vergleich:
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Die Wright-Brüder starteten 1896 mit systematischen Flugexperimenten und hoben 1903 das erste mal ab. Das schafften sie hauptsächlich alleine, neben dem Betrieb ihrer Fahrradwerkstatt. Gelegentlich beschäftigten sie Aushilfen. Die Entwicklung hat damals weniger als 1.000 USD gekostet, das entsprach 2017 rund 20.000 USD.
Ein „Akkuflugzeug“ mag kompliziert sein. Doch die Grundlagen aller Teilbereiche sind bekannt, es gibt CAD-Systeme, schnelle Computer für Simulationen, … – wofür wurde in den letzten neun Jahren so viel Kohle ausgegeben, wenns dann gerade mal für ein 90 Sekunden Werbevideo und Pressemitteilungen reicht?
Als Steuerzahler erscheint mir die Verweigerung des Bundes und (deshalb beleidigten) Bayerns durchaus klug – wenngleich die Beweggründe dafür sicher andere als eine betriebswirtschaftliche Bewertung waren.