Gendern 2.0
Luise F. Pusch, eine Ikone der „Gender-Bewegung“ hat mittlerweile eine eher kritische Haltung gegenüber Strömungen, die sie selbst ausgelöst hat. Sie plädiert für „Gendern 2.0“.
Aus Anlass ihres nahenden 80. Geburtstags widmet die „Neue Züricher Zeitung“ Frau Pusch einen ausführlichen Artikel. Die Erfinderin des „Erektions-I“ bemängelt, was mir persönlich ebenfalls aufstößt: Statt einer Abkehr von geschlechtsspezifischer Sprache wird sie mit den aktuellen Gender-Variationen „genitaler“.
Ich kämpfe für eine gerechte Sprache, aber gegen eine Ideologie, wonach jede Person eine ‹Gender-Identität› besitzt, die vom biologischen Geschlecht abweichen kann und wichtiger ist als dieses.
Luise F. Pusch
Eine interessante Perspektive eröffnet sie mit dem von ihr wahrgenommenen „Anspruchsdenken“ queerer Männer. Was aus sich heraus einen Widerspruch darstellt. Zumindest würde ich erwarten, sie müssten in der Queer-Bewegung eine Minderheit sein.
Am spannendsten fand ich den eher beiläufigen Hinweis auf die Webseite „gendern2-o.de“, die eine „Entsexualisierung“ der Sprache propagiert. Was en passant die einbezieht, die sich mit den aktuell wahrnehmbar praktizierten Formen „mitgenannt“ verstehen sollen, ohne dass sie es tatsächlich sind.
Der Aspekt, wie spätere Generationen ältere Originaltexte lesen, war mir bisher völlig entgangen. Im Gegensatz zur „Angleichung“ von Weltliteratur an „woke“ Sprache, was einen brutalen Widerspruch zum hehren Anspruch „Toleranz“ darstellt. Dazu gehört für mich gleichermaßen, „auszuhalten“, dass es in vorangegangenen Generationen eine andere Sicht auf die Dinge gab – oder manches womöglich viel entspannt-toleranter angesehen wurde, als in der aktuell sich zunehmend verhärtenden Diskussion.
Die Rückkehr zu mehr Toleranz könnte demnach die Sprache und damit die Menschen, die sie verwenden, toleranter machen. Ist – genau genommen – nur eine Frage, ob Toleranz Fordernde selbst dazu fähig sind.
Aus dem Blickwinkel „Abwärtskompatibilität“ heraus, sowie der sachlichen, gut nachvollziehbaren Herangehensweise, liegt „Gendern 2.0“ (mit Stand heute) bei mir persönlich ganz vorn im Rennen. Insbesondere aufgrund der Abwärtskompatibilität favorisiere ich innerhalb dieser Diskussion das „klassische“ Gendern. Also »die Journalistin, der Journalisterich“ und in Ermangelung einer „klassischen“ Variante „das Journaliston“ für explizit nonbinäre Journalisten.
Vielen Dank für den Hinweis auf den eingangs verlinkten Artikel.
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