Ohne Wehmut: X abgeschafft
Mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst war das Verlassen der Twitter/X-Community. Stand nach rund einem Monat: Das Schließen des Accounts habe ich keine Sekunde bereut.
Seit der Übernahme durch Herrn Musk wurde Twitter/X zunehmend zu einem Ort, an dem mir der Hals schwoll. Was immer seltener passierte, weil ich kaum noch dort war. Wenn doch... – das ist jetzt Geschichte. Gefühlt tummeln sich da nur (noch) Leute mit Spaß am Bashing und dem Verbreiten von fragwürdigem Gedankengut aus dem Schutz der Anonymität heraus.
Einen Moment lang habe ich ehrlicherweise gezögert. Zumindest am Anfang (~ 2011) war Twitter zwar kein wichtiger, doch treuer Begleiter über die Jahre. Doch wie das so ist im Leben. Manchmal verändern sich Freunde in einer Art und Weise, dass es ab einem gewissen Punkt unerträglich wird und „sich trennen“ die einzige Möglichkeit ist, damit das eigene Wohl keinen Knacks bekommt. An dem Punkt sah ich mich bei Twitter/X.
Von sich aus hätte „X“ sich wohl kaum von mir getrennt. Dort bricht eher die Panik ob der vielen Fahnenflüchtlinge aus. Das gesamte Geschäftsmodell stellt sich für Herrn Musk als Rohrkrepierer heraus. In meiner Wahrnehmung trägt er dazu mit seinem seltsamen Paradigma von „freier Rede“ maßgeblich bei. Das schließt explizit groben Unfug, Verleumdung und diverse weitere Dinge ein, die auf der Straße regelmäßig eine Strafanzeige nach sich zögen.
Durch die Flucht derer, die keine Lust mehr hatten, sich dem auszusetzen, rückten die unerfreulichen Mitbewohner des X-Planeten immer näher. Bevor die Timeline nur noch mit Seltsamkeiten (freundlich ausgedrückt) gefüllt ist, war es an der Zeit für ein kräftiges Ziehen an der Notbremse.
Es hat keine Sekunde geruckelt oder gab einen Anflug von Heimweh. Diese Aktion hatte etwas ungemein Befreiendes. Eine klare Bestätigung des Gefühls, das sich bei mir schon seit langem gegenüber „Social Media“ eingestellt hat: Geht prima ohne. Was keine generelle Ablehnung der damit gebotenen Möglichkeiten ist. Es gibt weiterhin den ein oder anderen Account. Doch keiner davon stellt eine Form von „Lebensmittelpunkt“ dar, wie es bei manch anderen Nutzenden offenbar der Fall ist.
Für mich waren und sind öffentliche Foren „Kommunikationswerkzeuge“, mit denen in die Runde gerufen werden kann. Je unspezifischer die Runde ist (wie z.B. bei X, Bluesky, Mastodon, …), desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass kein oder häufig wertloses Feedback Lebenszeit stiehlt. Was gelegentlich durchaus unterhaltsam sein kann. Ebenso kann durchaus ein kurzer, intensiver, mal mehr, mal minder angenehmer Gedankenaustausch herauskommen. Was den Charme hat, dass sich niemand jemandem aufdrängt, sondern andere sich zur Reaktion berufen fühlen, die sich problemlos ignorieren lässt.
Das dürfte das zentrale Erfolgskonzept von „Social Media“ sein: Ich kann mir meine digitale Wohlfühl-Blase schaffen. Ich bezweifle allerdings, dass das eine „echte“ ersetzen kann.
Da ich die habe, hat der „Verlust“ von X wohl keinerlei Trennungsschmerz verursacht.