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Kopftuchverbot

Erstellt: 28.05.2017 Lesedauer 1 - 2 Min.

Die AfD hat sich eines wirklich überlebenswichtigen Themas für den Wahlkampf angenommen: ein Kopftuchverbot. Doch wie sooft, geht es nur ums Plakative, statt um Ernsthaftes.

Wenn man keine relevanten eigenen Themen hat, dann macht man sich halt welche. Das Bundesverfassungsgericht hat das bereits 2015 geregelt: Kopftücher sind nicht per se bedrohlich. Wenn ich mir den Kirchgang meiner Mutter aus Oberfranken in Erinnerung rufe – zugegeben, das war im letzten Jahrtausend (oder Frau Trump letzte Woche beim Papst,…)– da saßen die Frauen links, die Männer rechts, die Frauen mit Kopftuch, die Männer mit Hut in der Hand.

Wenn Frau Weidel ein generelles Kopftuchverbot fordert, muss sie das auch den Christinnen und womöglich anvisierten Wählerinnen erklären, die sich in ländlicheren Gebieten noch züchtig bedecken, wenn sie in das Haus des Herrn gehen. Oder den Frauen, die bei Wind schlicht ihre Haare unter Kontrolle behalten bzw. im Winter keine kalten Ohren bekommen wollen.

Der Ansatz „Kopftuchverbot“ ist jedoch genau das, was sie abschaffen will: sexistisch. Wenn Mädels nichts auf dem Kopf haben dürfen, dann müssen selbstverständlich Hüte, Base-Caps, generell das ganze bedrohliche Kopfzeugs untersagt sein. Weil ein Hut oder eine Cap unverkennbar eine symbolhaft phallische Verlängerung des Kopfes darstellt und die Triebhaftigkeit des Mannes unterstreicht. Was ebenso wenig geduldet werden kann, wie das verstecken weiblicher Reize.

Womöglich sollten Kinder im Kindergarten grundsätzlich immer koedukativ und pudelnackig gemeinsam spielen, damit unzweifelhaft klar und nachhaltig eingeprägt wird: wir sind im Grunde alle gleich, egal was drüber gestülpt wird.

Wenn Frau Weidel mit „Recht auf Kindheit“ anfängt, sollte sie sich statt mit dem Kopftuch mit den Arbeitszeiten der Kids auseinander setzen. Die starten ihren Kindergartenjob nämlich vor Muttis oder Papas Arbeitsbeginn und beenden ihn erst, wenn Mutti und Papa schon lang mit ihrem Job fertig sind. Und wenn es um die Diskriminierung der Frau geht, wären Fragen nach Lohngleichheit, Chancen für Alleinerziehende (nicht nur Mütter…) im Arbeitsmarkt oder bei der Kita gesellschaftlich deutlich relevanter als bedeckte Häupter.

Oder einfach mal vor der eigenen Tür kehren und „gleichgeschlechtliche Ehe“ zum AfD-Thema machen, statt die schulische Auseinandersetzung damit als „Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit1“ im Grundsatzprogramm der Partei mitzutragen. Ein Kopftuch hat – meines Wissens – noch niemanden verletzt, während „dumme Lesbenschlampe“ sicherlich so manchen Lebensweg von Jugendlichen um Vieles steiniger machte, schlimmstenfalls abrupt beendet hat.

Wobei sexuelle Orientierung zugegebenermaßen nicht auf dem Kopf getragen wird. Allerdings muss ein Kopftuch nicht automatisch ein Statement sein. Es kann genau das sein, was es ist: ein Stück Stoff, dass über die Haare getragen wird. Mehr wird es erst, wenn man Ängste hinein projiziert.

1Dass die AfD sich mit Frau Weidel an der Spitze damit bei genauerer Betrachtung womöglich – zumindest in Teilen – selbst beschreibt, ist den Verfassern augenscheinlich entgangen. Homophobie ist ebenfalls eine Neigung.