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gesellschaft,gedanken

Was sind wir geil!

Erstellt: 05.09.2018 Lesedauer 3 - 4 Min.

Es ist wieder die Zeit der Team-Events, -buildings, -wasauchimmer. Wir sind in der Firma alle supergut drauf, haben uns alle lieb und können nach diesem „come together“ mit bloßen Händen Bären erwürgen.

Zum Bärentöten braucht es meinerseits kein „Teambuilding“, das klappt seit frühester Jugend ganz beiläufig: Haribo-Tüte aufreißen, Köpfe abbeißen, erledigt.

#teamwork1 Ernsthaft: was soll diese Überhöhung von dem, was in meiner Schulzeit „Wandertag“ hieß?

Ich räume ein: Nur die richtig Einfallslosen gehen wandern. Sie übersehen ein wesentliches Detail: neben- oder hintereinander her laufen, passiert in jeder Fußgängerzone. Das formt keine Teams. Für aufmerksame Beobachter werden vielmehr die Grüppchen sichtbar, die sich sauber voneinander abgrenzen. Beim Wandern werden sie darin bestärkt. Hinterher noch - buoa wie geil! - Holz für ein Lagerfeuer sammeln und verbrennen, anschließend wie ein Trapper im Zelt den Geräuschen der Nacht lauschen.

Schweißt es wirklich zusammen, wenn jeder weiß, dass Kollegin X nachts gern Darmwinde in die Freiheit entlässt oder Kollege Y ein massives Apnoe-Problem hat?

Natürlich werden „Neue“ bei solchen Veranstaltungen beäugt, doch meistens stehen die eher am Rand. Sie kennen keinen und nach ein paar bidirektionalen Anstandsfragen ist die Kommunikationsbasis meistens erschöpft. Der Einzelne wird zur Wiederholung des von ihm Gesagten zu anderen weiter gereicht, wer einer Gruppe zugehört, zieht sich dahin zurück. Zumindest gibt es jetzt eine Idee, warum die Woche drauf auf der anderen Straßenseite jemand grüßt.

Die Ehrlicheren machen lediglich einen „Firmenausflug“.

Kein großer Anspruch, es geht allein um Spaß für alle, als Dankeschön der Geschäftsleitung an die Truppe. Abhängig von den Möglichkeiten wird gemeinsam Holz für ein Lagerfeuer gesammelt und im Zelt übernachtet (Nebenwirkungen s.o.) oder ein Schiff gemietet, Essen und Trinken „was geht“, anschließend sehr Privates schützende Einzelzimmer-Unterbringung im gehobenen Hotel.

Die Schlaueren mit begrenztem Budget fahren morgens mit dem Bus los, machen ein bisschen Kultur oder „Action“. Abends sind alle wieder zu Hause. Die Schlaueren mit großem Budget lassen es für die Angestellten angemessen krachen und setzen das Ganze von der Steuer ab ohne weiter darüber nachzudenken.

Die Ausflüge gewähren demnach indirekt Einblick in die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens und Persönliches seiner Mitarbeiter. Daher wären manche gut beraten, das Kollegium deutlich darauf hinzuweisen, dass zum Schutz der Persönlichkeitsrechte aller Kolleg(inn)en weder Bilder noch detailliertere Informationen der Veranstaltung irgendwo veröffentlicht werden dürfen. Was en passant Firmeninteressen schützt.

Ein offizielles - von den dargestellten abgenicktes - Gruppenfoto muss reichen. Private Bilder nur in geschlossenen Bereichen, die allein den Firmen­an­ge­hörigen zugänglich sind. Dort gehört natürlich nur hin, was man selbst - wäre man selbst das Motiv -­ aushalten würde. Eventuell ist das dann etwas weniger „lustig“, doch ein Ausdruck von Respekt voreinander. Das macht ein Team aus.

Selbst wer kein Asket ist, will nur ungern wild geschossene Bilder von sich mit großem Bierglas in der Hand im Netz finden, sie können diskreditieren. Das ist privat und gehört keinesfalls auf Twitter & Co. Es ist unreflektierter, pubertärer Darstellungsdrang der Publizierenden auf Kosten Dritter.

Es ist allein meine Entscheidung, was von meinem Privatleben auf einer öffentlichen Plattform stattfindet. Dazu gehört ohne „wenn und aber“ ein Mitarbeiter-Event. Davon ausgenommen ist beispielsweise fotografiert werden im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung. Das ist „sichtbarer Job“. Der wesentliche Unterschied: dort ist mir die Öffentlichkeit bewusst, entsprechend adäquates Auftreten und Verhalten inklusive.

Wenngleich einer erschreckend großen Zahl Zeitgenossen ihre Privatsphäre egal zu sein scheint, haben sie dennoch kein Recht, die Dritter mit unautorisierten Publikationen zu verletzen. Selbst wenn diese vermeintlich kein Problem damit haben. Das gilt ganz besonders für Menschen, mit denen täglich gearbeitet wird. Die sind in der Zwickmühle, weil sie schlechtes Karma und Gruppendruck aufgrund von herumzicken wegen ein paar Bildern natürlich vermeiden möchten.

Richtig geil ist, wer die wirklich interessanten Gemeinsamkeiten für sich behält. Es geht niemanden etwas an, dass es hinter der Bühne „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“2 gab.

1Unter diesem Tag sammeln sich Team-Events, sowie Aktionen, die wirklich „Teamwork“ sind. Das klassische „Tag-Problem“: wofür welcher der Beste oder der Richtige ist, weiß niemand so genau.

2Quelle des Zitats: Berliner Zeitung, Artikel nicht mehr verfügbar, 07.03.2024