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Brauch ich für alles eine App?

Erstellt: 15.09.2023 Lesedauer ~2:20 Min.

Die „Apperitis“ nimmt immer bizarrere Formen an. Mittlerweile gibt es sogar keine Prospekte mehr, sondern Apps für die aktuelle Werbung des Supermarktes. Statt physischem Müll im Briefkasten verfolgt der uns überallhin auf dem Mobiltelefon.

Bereits 2017 hat mich das genervt. Wenig überraschend hat das damalige Phänomen mittlerweile pestartige Züge entwickelt. Für jeden Firlefanz soll eine App das Allheilmittel sein. Eine echte Marktlücke ist noch unbesetzt: Die App, die für die aktuellen Gedanken aus den installierten Apps die geeignetste heraussucht und noch fehlende installiert. Vorzugsweise werden die Apps darin in Reitern angeboten, damit ein zügiges Wechseln und Vergleichen der Informationen möglich ist.

Diese App gibt es bei genauerem Hinsehen bereits. Sie ist betagt und dennoch die flexibelste von allen: ein Browser. Also das, was die angepriesenen Apps im Grunde ebenfalls alle sind, beschnitten um die Möglichkeit der freien Wahl. Es gibt nur das, was der jeweilige App-Anbieter für mich als gut definiert. Beispielsweise höhere Preise, wenn die App auf einem teureren Telefon installiert ist. Oder mein bestens dokumentiertes Verhalten erkennen lässt, was mich interessiert. Damit werde ich verstärkt berieselt, damit ich weniger Zeit in Apps von anderen verbringe.

Letzteres kann mir der Browser ebenfalls passieren. Bei einer „Community“ anmelden und schon ist dort meine Blase um mich herum zu. Das was früher „Algorithmus“ hieß, neudeutsch „KI“, sorgt für wohlige Behaglichkeit. Sowohl beim Einkauf, als auch bei der Auswahl der Themen, für die bei mir eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung damit identifiziert wurde.

Der neueste Trend ist, dass mir Anbieter von Apps den Zugang über einen klassischen Browser – zumindest auf dem Telefon – erschweren oder wesentliche Funktionen nahezu unbenutzbar machen. Wer beispielsweise bei »Kleinanzeigen.de« als Anbieter oder Interessent mit dem Mobiltelefon seine „Nachrichten“ ansehen will, wird permanent zur Nutzung der App aufgefordert. In der Ansicht für mobile Browser ist der Abruf von Nachrichten aus der Benutzeroberfläche entfernt, damit die vermeintliche Zweckmäßigkeit der App verstärkt wird. Beim Wechsel auf die „Desktop-Ansicht“ gibt es zwar wieder Nachrichten, doch diese Oberfläche ist so star formatiert, dass sie auf dem Telefon nahezu unbedienbar ist. Wer folgsam die App nutzt, wird zur Belohnung mit Werbung zugeschüttet.

In diesem Fall kann ich das durchaus noch nachvollziehen: Die Plattform muss sich finanzieren. Was beim Ausgangskonzept „sparen“ eine täglich neue Herausforderung ist. Wobei das Verständnis dafür zumindest bei mir eine andere Wirkung als vom Anbieter gewünscht entfaltet: Für »Kleinanzeigen« nutze ich nur noch den PC. Dort klappt alles im Browser. Schwierig könnte es werden, sollten keine E-Mails mehr parallel zu den Nachrichten verschickt würden. Dann wäre ich als Nutzer vermutlich endgültig verloren.

Was bereits diverse Anbieter unwissentlich mit ihrer Fokussierung auf Apps betrifft. Mag sein, dass es bis zu einem gewissen Alter die Installation zahlloser Anwendungen mit lediglich einem einzigen Zweck und dediziert nur für einen Anbieter, völlig selbstverständlich erscheint. Doch ich bin spätestens abgehängt, wenn diese Menschen von persönlichen Freiheiten, Selbstbestimmung und Recht auf Zukunft schwadronieren. Mich beschleicht dann zunehmend das Gefühl, dass sie keine Ahnung haben, wovon sie reden.