Neugier oder Wissensrecht?
Nachdem sich Herr Scholz mit seiner Panzer-Entscheidung aus der Sicht diverser Außenstehender reichlich Zeit ließ, wollen sie nun wissen, warum das so lange gedauert hat. Aber: Stellt sich diese Frage wirklich?
Demokratische Wahlen haben nach meinem Verständnis den Zweck, mittels Mehrheitsentscheidung Stellvertreter für die staatliche Administration zu suchen. Dafür gibt es diverse Gründe. Allen voran ist es äußerst unhandlich, für Alles immer 80 Millionen zu fragen.Von denen interessiert sich ein Großteil für alles Mögliche, nur eben kein Stück für Verwaltungsaufgaben. Es sei denn, die mediale Aufmerksamkeit wird auf eine davon gelenkt, was das Interesse daran weckt. Wobei »Panzer in Kriegsgebiete in der Nachbarschaft schicken« sogar ausgesprochenen Politik-Muffeln eine Meinung abringt.
Die wiederum von konsumierten Meinungsbildern der Medien sowie der individuellen Umwelt geprägt wird. Und wie das bei so vielen medialen Dingen ist, geht es selten um Diskussion. Es geht um Meinungshoheit oder der Befriedigung von Neugier. Weshalb sich Journalisten zunehmend beschwerden, dass ein Entscheider ihnen keinen fertigen Artikel übergeben hat, in dem alle Details stehen. So wird mit der eigenen Inkompetenz, belastbare Information heraus zu finden, anderen eine angedichtet. Oder Information „konstruiert“1 – was geb ich auf mein Geschwätz von gestern…
Insbesondere bei der „Panzer-Frage“ bin ich persönlich der Meinung, dass wir dazu natürlich alle eine eigene haben sollten. Doch zum Einen fehlen uns viele wesentliche Informationen, zum Anderen ist das sehr gut so. Denn was der sensationsgeile Reporter weiß, wissen damit genau jene, die mit dem frühen und detaillierten Wissen zu Entscheidungen der Gegenseite die eigenen überdenken und neu strukturieren können. Was insbesondere bei kriegerischen Auseinandersetzungen den angestrebten Effekt zunichtemachen, im ungünstigsten Fall ins Gegenteil kehren kann.
Würde beispielsweise Herr Selenskyj ankündigen, dass er am nächsten Montag um 11 Uhr auf dem Unabhängigkeitsplatz eine Rede hält, wäre das sicher ein „bombastischer Auftritt“.
Wenn Herr Pistorius einem Journalisten verrät, dass „bis Ende März“ Panzer in der Ukraine ankommen sollen, ist das ziemlich informativ – für die Gegenseite. Denn die weiß, dass Panzer nur dort nützlich sind, wo gekämpft wird, was die Wege dorthin identifiziert – 60t pro Stück sind kein Handgepäck. Wenn Weg und Zeitpunkt leidlich eingegrenzt werden können, ist das Abpassen solcher Lieferungen deutlich einfacher. Ebenso wie „vorauseilende Maßnahmen“.
»Vertrauen Sie mir« ist zweifellos ein Dilemma für Journalisten, die Spalten oder Sendezeit füllen müssen. Doch bei sensiblen Entscheidungen ist „Klappe halten“ durchaus geboten. Ebenso wie das Stillschweigen darüber, wie eine Entscheidung zustande kommt oder welche Gründe es für vermeintliches Zögern gibt.
Was von Information Fordernden gern ignoriert wird: Keine Liveübertragung aus den Hinterzimmern ist kein Indiz dafür, dass dort niemand arbeitet und Entscheidungen unter vielerlei Gesichtspunkten abgewogen werden (müssen).
Weitergedacht sollten sich die Neugierigen fragen, ob sie tatsächlich ein Anrecht auf alles Wissen haben. Denn das beinhaltet Informationen, die ihnen sehr wahrscheinlich den Schlaf rauben würden und sie in blanke Panik verfallen ließe. Was keine guten Begleiter für objektive, sinnvolle Entscheidungen jeder Art sind.
- Beispielsweise,…
-
- dass das Zögern womöglich schlicht dem Umstand geschuldet war, weil „in fünf Jahren“ zwar ehrlich, aber für die Ukraine nutzlos wäre, also erst einmal geklärt werden musste, was überhaupt möglich ist,
- dass mit der Forderung nach amerikanischen Material vorweg eine Bündnis-Sicherheit geschaffen werden musste, das vermeintlich eigene Zögern demnach das Zögern anderer kaschiert hat,
- warum es so lang dauert, bis eingelagerte Leopard einsatzfähig sind,
- warum 14 abgegebene Panzer die eigenen Armee in Schwierigkeiten bringt,
- was das über unsere eigene Verteidigungsfähigkeit aussagt,
- …
Deshalb ist es mir ganz recht, dass mir so Manches an Information erspart bleibt.
Das Bild stammt von Pixabay.1Da wird aus einem „Politikwissenschaftler“ schnell ein „Russland-Experte“, der sich zu militärischen Entscheidungen positioniert und beiläufig einräumt, dass er eigentlich keine Ahnung davon hat: »Da muss ich leider passen, weil ich kein Militärexperte bin.«