Kündigung in „elektronischer Form“
Unser Justizminister Dr. Marco Buschmann will das Kündigen vereinfachen. Nach seinen Vorstellungen soll die „elektronische Form“ dafür ausreichen. Diese Idee hat ein paar erhebliche Schwachpunkte.
Die Pressemeldung »Kündigungsschreiben: Elektronische Form soll Schriftform ersetzen « hat mich zum Schreiben einer E-Mail an ihn veranlasst:
An: marco.buschmann@bundestag.de
Betreff: „Kündigung per E-Mail“ hat erhebliche Schwachpunkte
Sehr geehrter Herr Dr. Marco Buschmann,
ursprünglich wollte ich Ihnen mit einer gefakten E-Mail-Adresse des Bundeskanzlers eine Kündigungsmail schreiben. Doch als Justizminister wissen Sie natürlich, dass Minister keine Kündigung bekommen. Sie werden entlassen.
Ich wollte Ihnen auf diese Weise einen von diversen Schwachpunkten aufzeigen, die mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mittels „elektronischer Form“ verbunden sind.
Mitarbeitende könnten einander problemlos E-Mails mit Kündigungen „vom Chef“ schicken, wenn sie im Zwist liegen. Leidlich gut gemacht, ist das Ermitteln des Absenders ausgesprochen aufwändig bis unmöglich. Das Erkennen solcher Fälschungen für Betroffene im damit ausgelösten emotionalen Zustand ist schwierig bis unmöglich.
Für einen gekündigten IT-Mitarbeiter wäre es ein Leichtes, mit dem Firmenadressbuch allen Mitarbeitern vom Konto des Chefs eine Kündigung als Serienmail zu übermitteln:
Hallo %%%Vorname%%%,
wir sind pleite. Deshalb bist du mit sofortiger Wirkung freigestellt, dein Arbeitsvertrag endet zum nächstmöglichen Termin.
Dein ehemaliger Chef
Die Echtheit einer Mail muss mittlerweile grundsätzlich in Zweifel gezogen werden. Was tägliche Spam-E-Mails beweisen. Genau deshalb darf dann gleichermaßen an der Echtheit einer echten Mail mit Kündigung als Inhalt gezweifelt werden.
Mitarbeitende werden mit Spamfiltern Firmen-Mails als unzustellbar zurücksenden. Was ihr gutes Recht ist: Niemand muss einen persönlichen „elektronischen Briefkasten“ für jeden zugänglich machen. Andernfalls wären Spamfilter grundsätzlich rechtswidrig.
Ein in schlechter Laune geschriebenes »Morgen brauchst du gar nicht mehr kommen!« des Chefs via Messenger wäre eine rechtsgültige Kündigung. Erst recht, wenn das in der Firmen-Chat-Gruppe erfolgt.
Der Nachweis einer ordentlichen Zustellung von „elektronischen Kündigungen“ dürfte das größte Problem sein. Eine mit korrekter E-Mail-Adresse abgeschickte Nachricht im Versand-Ordner ist kein Beleg dafür, dass sie im Postfach des Empfängers angekommen ist.
Die „physische Schriftform“ erschwert Missbrauch und Missverständnisse erheblich:
- Eine Unterschrift fälschen ist strafbar.
- Der Vorgang wird entschleunigt. Elektronische Post aus einer Laune heraus ist leichter verschickt als eine (bisher) ordentliche Kündigung.
- Die Zustellbescheinigung des Briefträgers ist eine bezeugte, gerichtsfeste Übermittlung.
Deshalb, sehr geehrter Herr Dr. Buschmann, sollten Sie diese Idee der vermeintlichen Bürokratie-Entlastung nochmals überdenken. Statt einer Entlastung könnte es die Gerichte mit einer völlig neuen Form von Klagen überfluten.
Ob Unternehmen es begrüßen, in einem angespannten Arbeitsmarkt wichtige Mitarbeitende per spontaner Kündigungs-SMS an Mitbewerber zu verlieren, sollten Sie mit Blick auf Ihre politische Stamm-Klientel ebenfalls in ihre Überlegungen einbeziehen.
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Mit freundlichen Grüßen
Norbert Simon
P.S.: Diese E-Mail wurde im Wortlaut in meinem Blog veröffentlicht und ging cc an Marie-Claire Koch, Heise Online, deren Artikel den Anstoß gab.